Oscar – Segen oder Fluch?

Sonntag ist es wieder soweit: Die Oscar-Saison nähert sich ihrem glamourösen Höhepunkt, und das Rätselraten, wer in diesem Jahr einen der Goldjungen kassiert, hat längst begonnen. Allein eine Nominierung ist mittlerweile schon eine Auszeichnung und wird in den Trailern entsprechend beworben. Die Bezeichnung Oscar-Nominee stellt dabei beinahe schon eine Art Adelsprädikat dar, während Oscar-Winner so etwas wie Hollywoods Antwort auf den Ritterschlag durch die Queen ist. Mehr geht nicht, es sei denn, man gewinnt einen zweiten Oscar…

Jeder Schauspieler, der über ein gewisses Maß an Talent und Ehrgeiz verfügt, träumt davon, eines Tages mit dieser goldenen Trophäe in der Hand auf der Bühne des Kodak Theaters zu stehen. Nun ja, vermutlich träumen auch minder begabte Schauspieler oder Gesichtsvermieter, die sich für solche halten, davon. Doch ist der Gewinn eines Oscars für einen Schauspieler bzw. eine Schauspielerin wirklich nur ein Segen?

Dass diese Auszeichnung Vorteile mit sich bringt, ist unbestreitbar, bedeutet sie doch einen enormen Prestigegewinn, der sich nicht nur in einem größeren Bekanntheitsgrad niederschlägt, sondern auch in höheren Gagenforderungen. Einem Oscargewinner, heißt es, stehen alle Türen offen, er bekommt alle aufregenden, neuen Rollen angeboten, zumindest für eine gewisse Zeit. Warum kommt es mir aber dann so vor, als hätten viele Schauspielerinnen und Schauspieler nach dem Gewinn eines Oscars einen rätselhaften Karriereknick erfahren? Manche sind sogar nahezu vollständig aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit und dem Bewusstsein der Cineasten verschwunden. Liegt am Ende vielleicht ein Fluch auf dem kleinen, glatzköpfigen Männchen?

Wer kennt heute noch Joe Pesci, Mira Sorvino oder Mercedes Ruehl? Oder wie konnte Cuba Gooding jr. nach einem respektablen Karrierestart in der Sackgasse der cineastischen Gurken und DVD-Premieren landen? Und was ist aus der wunderbar komischen Helen Hunt geworden? Oder aus Holly Hunter, Whoopi Goldberg, Kim Basinger, Kevin Spacey oder Jeremy Irons?

Natürlich sind nicht alle Genannten komplett von der Bildfläche verschwunden oder drehen nur noch schlechte Filme, aber in wirklich guten, außergewöhnlichen Rollen hat man sie lange nicht gesehen, und Spitzenleistungen haben sie auf der großen Leinwand ebenfalls kaum noch abgeliefert. Da fragt man sich doch, warum haben sie ihren Oscar-Gewinn nicht besser genutzt?

Besonders häufig sind Frauen davon betroffen: Catherine Zeta-Jones zum Beispiel, die nach Chicago kaum noch präsent war, oder Renée Zellweger, die in großartigen Rollen brilliert hat (Nurse Betty – Gefährliche Träume, die Bridget Jones-Filme und Chicago), aber seit ihrem Oscar für Unterwegs nach Cold Mountain nur noch in sehr schwachen und seit 2010 in keinem einzigen Film mehr zu sehen war. Reese Witherspoon hatte eine makellose Hitserie, bevor sie ihren Oscar für Walk the Line gewann. Und wann hat man zuletzt Gwyneth Paltrow oder Halle Berry in einer prägnanten Hauptrolle gesehen? Hilary Swank musste immerhin zwei Oscars gewinnen, um danach schwächere Leistungen und Filme abzuliefern…

Bei genauerem Hinsehen finden sich immerhin einige Erklärungen. Das Alter zum Beispiel. Frauen ab vierzig haben es schwer in Hollywood, und so scheinen manche Damen mit dem Oscar zugleich auch den Rentenbescheid in die Hand gedrückt bekommen zu haben. Es gibt aber auch Schauspielerinnen, die diesen Höhepunkt in ihrer Karriere als den richtigen Zeitpunkt begreifen, um endlich Kinder in die Welt zu setzen. Helen Hunt hat danach den Anschluss nicht mehr gefunden, Julia Roberts schon, auch wenn ihre Erfolgsbilanz seither nicht mehr ganz so makellos ist, und Emma Thompson dreht erst jetzt wieder auf, nachdem ihr Nachwuchs aus dem Gröbsten raus ist.

Daneben gibt es auch Schauspieler, die nach dem Gewinn des Oscars meinen, nun genug für die Kunst getan zu haben, und sich gänzlich dem Kommerz verschreiben. Nicolas Cage oder Jamie Foxx zum Beispiel, mit durchwachsenem Erfolg allerdings. Und erstaunlich viele Oscar-Preisträger landen später in Filmen von Jerry Bruckheimer. Russell Crowe könnte man in dieselbe Schublade stecken, nur war der auch vor seinem Oscar-Gewinn eher im Mainstreamkino zu Hause.

Immerhin gibt es auch Gegenbeispiele: Tom Hanks, Daniel Day-Lewis, Christian Bale, Cate Blanchett, Meryl Streep, Judi Dench und Cate Winslet haben die Goldjungen Glück gebracht – vielleicht haben sie auch nur ein besonders glückliches Händchen bei der Rollenauswahl.

Sandra Bullock wiederum hat mit ihrem Oscargewinn nicht nur ihre Karriere erfolgreich wiederbelebt, sondern auch ordentlich Kasse gemacht: Hollywood Reporter berichtete gestern, dass sie ihre Gage für Gravity auf 20 Mio. Dollar hochschrauben konnte und zusätzlich noch mindestens 50 Mio. an Einspielbeteiligung erhält. Allerdings ist sie auch erneut für den Oscar nominiert, und wer weiß, was passiert, sollte sie gewinnen…

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.