Was macht eigentlich…?

Bei vier Beiträgen pro Woche ist es schwierig, immer wieder originelle Themen zu finden, sie gegebenenfalls zu recherchieren und zu Papier zu bringen. Andererseits will ich auch nicht ständig Filme kritisieren, die ich in jüngerer Zeit gesehen habe, oder über neue Serien berichten. Anlässlich der Wünsch-Dir-was-Kolumne von vergangener Woche brachte Mark G. mich auf die Idee, eine neue Rubrik einzuführen, die sich in wöchentlicher Folge (sofern es nicht zu stark mit meinen diversen anderen Tätigkeiten kollidiert) mit Größen des Filmbusiness‘ beschäftigt, von denen man schon lange nichts mehr gehört hat. Der Titel ist – wenig originell, ich weiß – Was macht eigentlich…?

Den Anfang macht ein Großmeister des Horrorfilms, von dem man schon eine gefühlte Ewigkeit lang nichts mehr gehört bzw. gesehen hat: John Carpenter. Angefangen hat er in den Sechzigern mit diversen Kurzfilmen, bevor er in den Siebzigern groß rauskam. Schon sein erster Langfilm, die rabenschwarze Science Fiction Komödie Dark Star – Dunkler Stern, wurde 1974 ein Kulthit. Ich habe zweimal versucht, ihn mir anzuschauen, kam aber nie über die ersten zwanzig Minuten hinaus – entweder man mag ihn oder nicht. Ich gehöre zur zweiten Fraktion. Der Film ist eine Parodie auf 2001 – Odyssee im Weltall und gleichzeitig auf den erst fünf Jahre später erscheinenden Alien, was auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, wenn man nicht weiß, dass Co-Autor Dan O’Bannon später Ridley Scotts Klassiker geschrieben und sich selbst kopiert hat. Vom abgewrackten Raumschiff bis hin zum Alien (in der depperten deutschen Siebziger Jahre-Synchro „nichtsnutziges Hüpfgemüse“ tituliert) gab es alles schon in Dark Star, nur eben als Parodie.

Sein zweiter Film war 1976 Assault – Anschlag bei Nacht, einer der beklemmendsten und düstersten Thriller der Siebziger, sehr brutal (und daher lange Jahre indiziert) und extrem spannend. Dagegen ist das Remake von 2005 die reinste Kaffeefahrt.

Erst 1978 wurde er mit Halloween – Die Nacht des Grauens zum Meister des Horrorfilms und machte damit Jamie Lee Curtis zur Scream Queen. Interessanterweise hat er jedoch keine der Fortsetzungen inszeniert. Stattdessen folgten weitere Klassiker des Horror-Genres wie The Fog – Nebel des Grauens (1980), Das Ding aus einer anderen Welt (1982) oder Sie leben! (1988). Die letzten beiden sind wegen ihrer Alien-Thematik auch Science Fiction, das zweite Genre, das Carpenter bereicherte.

Meine Lieblingsfilme von ihm sind allerdings nicht seine Horrorklassiker, so wegweisend und nervenzerfetzend spannend sie auch sein mögen. Ich erinnere mich, wie ich als Kind The Fog im Fernsehen gesehen habe – oder vielmehr nicht gesehen habe, denn ich konnte vor lauter Angst die Hände nicht von den Augen nehmen. Nein, meine beiden absoluten Lieblingsfilme von ihm sind Starman und Big Trouble in Little China. Der erste ist ein spannender, anrührender Film über einen außerirdischen Kartografen, der auf der Erde notlanden muss und vom Militär gejagt wird. Später wurde eine Fortsetzung des Films als TV-Serie produziert, mit Robert Hayes anstelle von Jeff Bridges in der Titelrolle, die aber das erste Jahr nicht überlebt hat. Der zweite Film ist eine Fantasy-Komödie voller Überraschungen und überdrehter Momente. Vermutlich sind beide inzwischen stark veraltet.

Die Klapperschlange ist ein weiterer Carpenter-Film, der zum Kulthit wurde. Snake Plissken alias Kurt Russell zählt zu den großen Ikonen des Actionfilms, und immerhin hat Carpenter hier bei der Fortsetzung 1996 selbst Regie geführt. Vermutlich weil sein Stern zu diesem Zeitpunkt bereits am Sinken war. Die Neunziger waren kein gutes Jahrzehnt für ihn, weder Die Jagd auf einen Unsichtbaren noch Die Mächte des Wahnsinns noch Das Dorf der Verdammten konnten überzeugen.

Ghosts of Mars sollte wohl die Rettung sein, wieder eine Kombination aus Horror und Science Fiction, die Carpenter einmal so meisterhaft beherrschte, aber diesmal stimmte einfach nichts. Außerdem waren zuvor bereits Mission to Mars und Red Planet erschienen, die ebenfalls keiner sehen wollte – der Mars bringt anscheinend niemandem Glück, die Macher von John Carter können ein Lied davon singen…

Danach hörte man fast ein Jahrzehnt lang nichts mehr von John Carpenter, abgesehen von zwei Beiträgen zu der TV-Horrorserie Masters of Horror, deren Episoden jeweils abgeschlossene Stories erzählen. Ich kann mich daran erinnern, sie vor ca. acht Jahren gesehen zu haben, aber mehr auch nicht.

Erst 2010 führte Carpenter wieder Regie, erneut bei einem Horrorfilm: The Ward. Im Gegensatz zu den USA, wo er nur auf DVD herauskam, lief er bei uns tatsächlich im Kino – mit wenigen Kopien nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Irgendwie stimmt es traurig, dass ein Mann mit seinem Renommee keine Filme mehr macht oder machen kann. Sicherlich gehörte er nie zu den ganz großen Regisseuren, aber seine Filme prägten nachhaltig die jeweiligen Genres und haben Kultstatus erlangt. Unvergesslich auch die Musik, die vor allem von psychedelischen Synthesizerklängen beherrscht wurde und nicht nur sein Markenzeichen war, sondern auch aus seiner Feder stammte.

Carpenters Schöpfungen sind Teil der Filmgeschichte, Halloween läutete eine neue Welle von Horrorfilmen, ja ganzen Serien ein, und mit ein Grund, warum er in den Neunzigern nicht mehr so erfolgreich war, lag daran, dass Horrorfilme an Beliebtheit verloren. Anfang des neuen Jahrtausends kamen schließlich die ersten Comicverfilmungen auf, und teure Fantasyserien wie Harry Potter oder Der Herr der Ringe beherrschten die Spitzenplätze der Charts. Kleine, billige, aber effektive Horrorfilme wurden nur noch selten Hits, es sei denn, sie schafften es, mit Originalität zu punkten wie The Blair Witch Project.

Aber alles kommt wieder, und so sind Horrorfilme erneut gefragt. Alte Klassiker werden für eine neue Generation verfilmt, weshalb es bereits Remakes zu Assault, Halloween und The Fog gegeben hat und weitere zu Die Klapperschlange und Sie leben! in Planung sind. Carpenter selbst hat nichts davon, abgesehen von einem Credit für die Originalgeschichte. Da er seine Filme häufig selbst geschrieben hat, ist sein Schweigen vielleicht von Einfallslosigkeit geprägt, möglicherweise hat er seine besten Geschichten bereits erzählt oder will sich schlichtweg nicht wiederholen? Oder die Produzenten haben kein Vertrauen mehr darin, dass er noch zeitgemäße Filme drehen kann. Dabei werden gerade viele, nicht allzu teure Horrorfilme hergestellt, so wie es Carpenters Arbeiten früher auch waren.

Aber mit 66 Jahren (älter ist er tatsächlich noch nicht) fängt bekanntlich das Leben an, und so soll er angeblich an einem neuen Projekt arbeiten: Darkchylde – eine Comicverfilmung. Allerdings wird das Projekt bereits seit vier Jahren entwickelt, also wer weiß, ob und wann es das Licht der Leinwand erblicken wird?

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.