Was macht eigentlich …?

Komödien sind seine Sache nicht unbedingt. In seinen Filmen geht es meist um Gewalt, um Mord, Wahnsinn und Begierde, Voyeurismus und gespaltene Persönlichkeiten. In den Siebzigern und Achtzigern schuf er Meisterwerke des modernen Kinos – und stand dabei häufig in den Fußstapfen der Altmeister Hollywoods. Vielleicht ist ihm deshalb bislang ein Oscar verwehrt geblieben. Was macht eigentlich …?

Brian De Palma

Seine Karriere begann in den frühen Sechzigern während seiner Collegezeit, und als er am Ende der Dekade seine ersten Langfilme drehte, darunter gleich drei mit dem damals noch völlig unbekannten Robert De Niro, fand er allmählich zu seiner einzigartigen Filmsprache. De Palma war einer der ersten, der die Split Screen zur Spannungssteigerung benutzte, und er experimentierte gerne mit Kamera und Schnitt. Eines seiner größten Vorbilder war Hitchcock, den er besonders ausgiebig in seinen Thrillern zitierte – bis hin zu identischen Szenenfolgen.

Die Schwestern des Bösen war sein erster Erfolgsfilm in Hollywood, aus heutiger Sicht schwer verständlich, denn er wirkt inzwischen schon sehr veraltet. Ganz anders sein größter Hit in den Siebzigern: Carrie – Des Satans jüngste Tochter ist auch heute noch spannend, abgründig und unheimlich. Der Film geht unter die Haut, nicht nur aufgrund des damals noch nicht bis zum Überdruss exerzierten Schockers am Ende, sondern vor allem wegen seiner eindringlichen Bildsprache. Das Remake vor einigen Jahren habe ich mir daher nicht einmal angesehen.

Als Kind habe ich irgendwann in den Achtzigern noch Teufelskreis Alpha mit Kirk Douglas sehr gemocht, aber ich fürchte, der Film hat inzwischen auch verloren. Dressed to Kill von 1980 war eine Hommage an Hitchcock, Blow Out huldigte hingegen Antonionis Blow Up. In beiden Fällen konnte es De Palma meiner Meinung nach nicht mit seinen Vorbildern aufnehmen. Insofern war es konsequent, mit Scarface ein Remake von Howard Hawks‘ Film von 1932 zu drehen, obwohl die Story soweit verändert wurde, dass es kaum noch Ähnlichkeiten gibt. Scarface begründete den modernen, zynischen und ultracoolen Gangsterfilm, der hart, brutal und dreckig ist, wo der Film Noir elegant und kultiviert wirkte. Mir war er immer ein wenig zu langatmig, auch wenn ich seine Bildsprache bisweilen sehr beeindruckend fand.

Nach einer weiteren Hitchcock-Hommage (Body Double – Der Tod kommt zweimal) und einer Komödie, die wohl besser unerwähnt bleibt, schuf er seinen zweiten Kulthit der Achtziger: Die Unbestechlichen. Meisterhafte Kamera und eine wunderbare Huldigung an Panzerkreuzer Potemkin – viel mehr ist mir leider nicht in Erinnerung geblieben. Ich habe ihn seit damals nicht wieder gesehen und muss auch gestehen, dass ich ihn nicht besonders gemocht habe.

Mein Problem mit De Palma ist, dass ich zwar mag, wie er seine Filme erzählt, mir aber seine Geschichten meist nicht gefallen. So sehr ich auch Hitchcock schätze, mancher Plot funktioniert heute nicht mehr oder wirkt antiquiert und aus der Zeit gefallen, wenn man versucht, ihn zu imitieren. Und der zeitliche Abstand von dreißig und mehr Jahren hilft natürlich auch nicht dabei – da wirken die „Original“-Filme aus den Fünfzigern mitunter moderner als De Palmas Versionen. So habe ich bis auf Carrie keinen einzigen seiner Filme ein zweites Mal angeschaut.

Waren seine früheren Publikumserfolge mehr oder weniger ungeplante Hits, versuchte er spätestens seit den Neunzigern, sie zu kreieren. So entstand zum Beispiel mit Mission Impossible ein völlig untypischer De Palma, der aber zum erfolgreichsten Film seiner Karriere wurde. Mit Spiel auf Zeit versuchte er sich an einem Spagat zwischen beiden Welten, ein Film Noir im großen Stil sozusagen, aber die Rechnung ging weder künstlerisch noch kommerziell wirklich auf.

Mission to Mars stellt noch einmal einen Ausreißer dar, der nicht so ganz in De Palmas Oeuvre passt. Danach widmete er sich wieder dem, was ihm am Herzen lag: dem Film Noir. Leider mit mäßigem Erfolg. Femme fatale war so furchtbar, dass es mein letzter Film De Palmas war, den ich mir im Kino angesehen habe. Passion war vergangenes Jahr sein jüngstes Werk und so belanglos, dass es nicht weiter erwähnenswert ist. Es scheint, als habe sich seine Art, Filme zu erzählen, überlebt – und in gewisser Weise ist es schade darum, aber wohl auch unabänderlich.

Der Maestro, der bislang kein neues Projekt in der Pipeline hat, feiert heute seinen 74. Geburtstag.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.