Trommeln im Tal

Am Wochenende wurde in Poli Kirchweih gefeiert. Samstagmittag waren wir bei unseren Freunden zum Essen eingeladen, zusammen mit einer Kusine, die früher für RAI gearbeitet hat. Leider sprach sie kein Englisch, so dass wir uns kaum über den Unterschied zwischen italienischem und deutschem Fernsehen unterhalten konnten.

Zu essen gab es eine Spezialität, eine Bohnensuppe, die in ganz Italien gegessen, in jeder Region jedoch unterschiedlich zubereitet wird. Die römische Variante ist dickflüssig und würzig-aromatisch und besitzt lediglich Bohnen und fein geschnittene Fettuccine als Einlage. Danach gab es noch die hiesige Version von Bratkartoffeln (sehr knusperig und mit vielen Zwiebeln), einen Bohnensalat und grünen Salat, zum Dessert eine hausgemachte Crostata (die italienische Schwester der Linzer Torte). Sehr lecker, aber auch so viel, dass wir bis zum Frühstück am nächsten Tag satt waren.

Am Abend unternahmen wir noch einen Abstecher nach Poli, wo die Einwohner zusammenkamen, gemeinschaftlich aßen und auf einer Großleinwand einen Film oder eine Oper sahen, so lange sind wir dann doch nicht geblieben. Auch das Essen haben wir ausfallen lassen, dafür waren wir einfach viel zu satt, aber gerochen hat es sehr gut. Ursprünglich wollten wir uns am Sonntag den Umzug ansehen, in dem die Historie der Stadt nachgestellt wird, aber wir wussten nicht genau, um wieviel Uhr es losgehen sollte. Die Trommeln, die aus dem Tal zu uns heraufhallten, wären ein sicheres Zeichen gewesen, aber zu diesem Zeitpunkt saßen wir gerade bei einem späten Frühstück. Außerdem sollte im Laufe des Tages Besuch aus Deutschland kommen, so dass wir uns ohnehin nicht lange vom Grundstück entfernen konnten. Schade eigentlich, denn es ist die Tradition, dass viele Einwohner an diesem Tag etwas kochen und dann kostenlos an die Besucher, die auch aus dem umliegenden Dörfern stammen, verteilen. Man kann durch die schmale Hauptstraße Polis schlendern und dabei überall einen Happen kosten. Was für ein schöner Brauch, um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und Gastfreundschaft zu pflegen.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.