Was für ein Sandwich

usa121Das Wochenende begann angenehm sonnig, mit blauem Himmel und einer leichten Brise vom Meer. So könnte es von mir aus bis zum Frühjahr bleiben. Zum Frühstück hatten wir am Samstag ein gegrilltes Käsesandwich, einen amerikanischer Klassiker, den ich jedoch noch nie gekostet hatte. Es war lecker, aber eben auch nur Toastbrot mit Käse.

Irgendwie sind wir beim Essen dann auf Pastrami gekommen, und als ich erzählt habe, dass ich noch nie ein Pastrami-Sandwich gegessen habe, stand fest, dass wir zum Lunch den Imbiss aufsuchen würden, der angeblich die besten der Welt macht. Zumindest aber außerhalb New Yorks, das sich schließlich viel auf seine Pastrami-Brote einbildet.

Bisher kannte ich diese von dünnen Fleischscheiben überquellenden Baguettes ja nur aus diversen Filmen und der Auslage des einen oder anderen Delis, aber besonders appetitlich erschienen sie mir nie. Zudem erinnerte ihr Aussehen frappierend an Corned Beef, das ich überhaupt nicht mag, weshalb ich meine Zweifel hatte, dass es mir schmecken würde. Im Internet, der Quelle alles nützen und unnützen Wissens, habe ich gelesen, dass es ursprünglich wohl aus Rumänien stammt und über die jüdischen Einwanderer nach Amerika kam. Statt des Hammels verwendet man hierzulande allerdings meistens Rindfleisch, das mit vielen Gewürzen gepökelt, geräuchert und anschließend noch gekocht wird.

Leider verzögerte sich unser Ausflug am Nachmittag wegen eines nicht enden wollenden Footballspiels um zwei bis drei Stunden, und inzwischen hatte ich richtig Hunger. So ein Käsebrot hält eben nicht ewig vor. Egal wie dieses Pastrami-Sandwich letzten Endes auch schmecken würde, ich würde es vermutlich verschlingen. Als wir endlich gegen fünf Uhr losfuhren, konnte ich es also kaum abwarten, unterschätzte dabei jedoch die Bereitschaft der Amerikaner, wegen einer Delikatesse bis ans andere Ende der Stadt zu fahren. Und Los Angeles erstreckt sich von West nach Ost über hundertzwanzig Kilometer und über sechzig von Nord nach Süd – das andere Ende ist unter Umständen also ziemlich weit entfernt …

Aus irgendeinem Grund herrschte zudem starker Verkehr, was alles noch einmal um eine Viertelstunde verzögerte. Um kurz nach sechs Uhr waren wir endlich bei The Hat in Fullerton – und die Schlange schien endlos zu sein. Die Werbung auf dem Parkplatz verkündete in großen Lettern vom weltberühmten Pastrami Dip, und eingedenk des besten Gyrosʼ der Welt, das wir kürzlich genießen durften, betrat ich den überfüllten Laden mit gemischten Gefühlen. Andererseits: Können so viele Leute irren?

Weil ihre Brote so ungeheuer beliebt sind, arbeiteten eine Menge Leute hinter der Theke und schrien sich gegenseitig die Bestellungen zu. Wie irgendjemand dabei etwas verstehen konnte, erschien mir rätselhaft, aber wahrscheinlich ordert ohnehin jeder die Spezialität des Hauses, weshalb die Köche einfach Pastrami Dips am laufenden Band produzieren. Ich überlegte kurz, etwas anderes zu nehmen, einen Burger vielleicht oder ein anderes Sandwich, aber das wäre feige gewesen.

Zu den Sandwiches empfahlen unsere Freunde uns unbedingt noch die Chili Fries, und ich nahm an, dass es einfach nur mit Chilis gewürzte Pommes Frites sein würden. Weit gefehlt, dabei handelte es sich um eine große Schüssel Pommes mit Chili con carne und Käse obendrauf. Und das war noch die kleinste Portion, die es gab, für die größte wird vermutlich die Kartoffelernte von ganz Delaware verarbeitet.

usa122Auch das Sandwich, das aus einem sehr weichen Baguettebrötchen mit Füllung bestand, war riesig. Man kann sagen, dass dies kein Gericht für Vegetarier ist, denn abgesehen von dem Fleisch gab es nur ein wenig Senf und ein paar eingelegte Gurkenscheiben dazu, und wer mag, kann sich noch zusätzlich bei Senf, Ketchup oder Meerrettich bedienen oder ein paar sauer eingelegte Chilis dazu knabbern, die nur mäßig scharf waren. Überraschenderweise war das Fleisch ganz anders als ich gedacht hatte, sehr zart und saftig, vom Geschmack her erinnerte es eher an einen Kochschinken, obwohl es kein Schweinefleisch, sondern Rinderbrust sein sollte. Aber so genau habe ich nicht nachgefragt, denn ich war damit beschäftigt, meinen Hunger zu stillen …

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2016 und verschlagwortet mit , von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.