Love & Friendship

Ich kann gar nicht mehr sagen, wann ich die Bücher Jane Austens für mich entdeckt habe. Ihr und Charles Dickens verdanke ich jedenfalls meine Vorliebe für die englische Literatur des 19. Jahrhunderts, und bei beiden bewundere ich ihren sprachlichen Witz und ihre scharfe Beobachtungsgabe.

Das einzige Werk aus Austens Feder, das ich nicht gelesen habe, ist Lady Susan. Den Grund dafür kann ich gar nicht mehr benennen, möglicherweise hat es damit zu tun, dass es sich dabei um einen Briefroman handelt, und ich damals, als ich in jungen Jahren ihre Bücher gelesen habe, mit dieser Form nicht allzu viel anfangen konnte. Später habe ich seine Existenz sogar vollkommen vergessen – bis Ende letzten Jahres seine Verfilmung bei uns in die Kinos kam – allerdings nicht unter dem Originaltitel, sondern unter dem einer anderen, ebenfalls unvollendeten Erzählung Austens, die nichts miteinander zu tun haben…

Love & Friendship

Lady Susan (Kate Beckinsale) ist eine verarmte Witwe, die notgedrungen bei ihren wohlhabenden Verwandten und Freunden leben muss und daher von einem Landsitz zum anderen reist. Den einzigen Ausweg aus ihrer prekären Lage sieht sie darin, ihre Tochter Frederica (Morfydd Clark) mit dem reichen, aber strohdummen Sir James (Tom Bennett) zu vermählen, was dieser jedoch nicht behagt. Gleichzeitig bandelt Susan selbst mit dem jüngeren Reginald (Xavier Samuel) an, der ihrem beträchtlichen Charme rasch erliegt – bis er Frederica begegnet …

Im Gegensatz zu anderen Austen-Verfilmungen wie Stolz und Vorurteil oder Sinn und Sinnlichkeit, ist Love & Friendship ein wenig schwerer zugänglich. Das liegt zum einen sicherlich am Ausgangsmaterial – ein Briefroman strotzt eher weniger vor geschliffenen Dialogen und amüsanten Szenen – sowie an seinem vergleichbar mageren Budget. So gerät die Verfilmung zu einem Kammerspiel, das nur selten einmal die prachtvoll ausgestatteten Räume verlässt und sogar bei einem Ball nur eine Einstellung von wenigen tanzenden Paaren erlaubt.

Zudem wird nahezu ununterbrochen geredet. Sicherlich, die meisten Dialoge sind köstlich, bissig und pointiert, aber im Übermaß genossen, bekommen sie auch irgendwann etwas Angestrengtes. Hinzu kommt, dass die Hauptfigur Lady Susan zwar äußerst charmant und weltgewandt, gleichzeitig aber auch ziemlich heuchlerisch und intrigant ist. Es ist ein großes Vergnügen, ihr bei ihren Ränkeschmieden zuzuschauen, aber obwohl Kate Beckinsale, die in ihrer Jugend bereits in einer Verfilmung von Emma eine gute Figur gemacht hat, sie perfekt verkörpert, kann man sie einfach nicht leiden. Leider ist Lady Susan so dominant in jedem ihrer Auftritte, dass fast alle anderen Figuren dadurch ins Hintertreffen gelangen.

Das größte Manko ist jedoch das nahezu vollkommene Fehlen romantischer Verwicklungen. Alles ist Koketterie und Flirt, aber aufrichtige Emotionen sucht man weitgehend vergebens. Erst gegen Ende findet sich, leider nur en passant erzählt, ein Liebespaar, dem jedoch zu wenig Raum eingeräumt wird.

Wer also die Romantik anderer Austen-Verfilmungen sucht, kommt hier weniger auf seine Kosten, wer aber Freude an scharfzüngigen Dialogen und einer satirischen Figurenzeichnung hat sowie Historienfilme mag, sollte sich den Film nicht entgehen lassen.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.