Creed

Auf die Frage, wie er sein hohes Alter erreicht habe, sagte Winston Churchill bekanntlich: „No sports“. Das war auch immer mein Motto, um bequem auf der Couch liegen bleiben zu können, aber jetzt habe ich etwas Erschütterndes erfahren: So hat es der alten Winston nie gesagt! Es gibt einige, die behaupten, er habe es überhaupt nie gesagt, andere, er habe gleichzeitig eine Einschränkung erwähnt, nämlich das Reiten. Ein kurzer Blick ins Internet, was Reporter gerne als aufwändige Recherche verkaufen, scheint das zu bestätigen – es gibt sogar eine eigene Wikiseite über das angebliche Zitat.

Nun, mit dem Reiten hab ich es auch nicht so. Als Kind saß ich häufiger auf einem Pferd, das den Großeltern einer Freundin gehörte, ohne dabei runterzufallen, aber als reiten kann das nun wirklich nicht bezeichnen, denn das Tier wurde dabei am Zügel geführt. Immerhin ging es dabei über Felder und Wiesen und ich hatte keinen Sattel.

Sportfilme gehören auch nicht unbedingt zu meinen Lieblingsgenres, aber für ein cheerie movie bin ich immer zu haben. Deshalb war ich auch auf Creed neugierig, obwohl ich außer Rocky Balboa keinen einzigen Film der Reihe gesehen habe, und das ist auch schon wieder elf Jahre her …

Creed

Adonis (Michael B. Jordan) hat seinen Vater, den Box-Weltmeister Apollo Creed, nie kennengelernt, teilt mit ihm aber die Leidenschaft für diesen Sport. Deshalb will er sich unbedingt als Kämpfer beweisen und überredet Rocky Balboa (Sylvester Stallone), ihn zu trainieren.

Normalerweise ist es ja ein Underdog, der sich im Boxsport beweisen und einen Kampf austragen muss, der als Metapher für das Durchboxen, den Durchhalte- und Überlebenswillen schlechthin steht, aber in diesem Fall wurden die Vorzeichen einmal umgedreht: Adonis wächst, trotz anfänglicher Schwierigkeiten wegen seiner unehelichen Geburt, privilegiert auf und es besteht keine wirtschaftliche Notwendigkeit für den Kampf. Doch er kämpft gegen das Stigma des Bastards, das ihm anhaftet, gegen das Gefühl, unerwünscht und ein Fehler zu sein. Obwohl sein Vater schon vor seiner Geburt starb, sehnt er sich nach seinem Respekt und seiner Anerkennung.

Das macht das Boxerdrama auch zu einem Vater-und-Sohn-Film, in dem Rocky nicht nur Trainer, sondern auch Vater- und Familienersatz wird. Und es gibt eine doppelte Bedrohung, nicht nur im Ringkampf, sondern auch im Privaten, die der Geschichte zusätzliche Tiefe verleiht. Regisseur Ryan Coogler schrieb auch am Drehbuch mit und entwickelte die Idee zu der Geschichte, die er sehr konservativ und vorhersehbar, aber ungemein spannend erzählt.

Das Besondere am Film ist die kraftvolle Inszenierung. Wenn der erste größere Kampf des Helden in einer einzigen Einstellung ohne Schnitt gedreht wird, die Kamera praktisch mitten drin im Geschehen ist, hält man minutenlang schier den Atem an. Die Kamera tänzelt mit den Kombattanten durch den Ring und zeigt die Eleganz dieses Sports. Der zweite, finale Kampf präsentiert dann die brutale, blutige Seite in den gewohnt martialischen Bildern eines klassischen Boxerfilms, und auch das ist gut gelungen. Außerdem ist es hochspannend in Szene gesetzt und überzeugt mit einem ehrlichen Ende ohne aufgesetztes Pathos.

Wenn sie gut gemacht sind, können eben auch Sportfilme überzeugen.

Note: 2

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.