spätrömische Dekadenz

Ein perfekter Tag im Paradies: Endlich ausschlafen, danach an den Pool (es ist immer noch dreißig Grad warm, aber hin und wieder kommt ein kühlerer Wind auf) und später zum Essen.

Diesmal ging’s ins Bacchanal im Caesar’s Palace, das, soviel ich weiß, erst vor einem halben Jahr eröffnet hat. Die Einrichtung ist sehr modern und in den Details witzig-verspielt und erinnert an The Wicked Spoon. Auch hier gibt es teilweise winzige Portionen in Pfännchen, Eimern und Schüsseln, die zum Probieren einladen, daneben aber auch die üblichen Platten. Die Auswahl ist riesig, angeblich sind es 500 verschiedene Gerichte, und selbst wenn man immer nur einen Teelöffel voll nimmt, kann man nicht von allem kosten. Und immer wenn man denkt, dass man nun alle interessanten und unbekannten Speisen probiert hat, fahren sie ein neues Gericht auf. Die Qualität ist sehr gut, der Preis dafür höher als bei den meisten anderen Büffets, aber durchaus im Rahmen. Die japanische Abteilung war hervorragend, ebenso die große Auswahl an Seafood. Es gibt sogar frische Austern (wer’s mag). Unsere Favoriten waren die geräucherten Muscheln und die getrüffelten Kartoffeln. Nicht empfehlen kann ich die (bittere) blacked chicken soup und den stinky rice im Lotusblatt (obwohl er besser schmeckt als er klingt).

Nach so viel spätrömischer Dekadenz unternahm ich am Abend noch einen kleinen Spaziergang am Strip. Las Vegas erfindet sich ja permanent neu, und so ist wieder ein Hotel hinzugekommen: The Quad. Leider wirkt es wie eine billige Kopie: Fensterlose Front, exzentrische, aber unharmonische Formen und ein Interior wie aus den frühen Achtzigern mit zuviel Neonlicht. Auf den zweiten Blick entdeckt man, dass es gar kein brandneues, sondern nur ein reinkarniertes altes Hotel ist: Das Imperial Palace hat einfach nur einen neuen Vorbau erhalten, der suggeriert, dass nun alles anders, schicker und moderner sein soll…

Neu sind auch die riesigen, teils haushohen Bildschirme, über die Werbung flimmert, und sogar an den Bushaltestellen gibt es große Bildschirme (mit Ton!), so dass man den Botschaften der Industrie nicht entgehen kann. Zusammen mit der permanenten Musikberieselung und dem Krach von Tausenden von Menschen – es war so voll wie früher nur an den Wochenenden – ist es wie ein Spaziergang auf dem Rummelplatz.

Hin und wieder entdeckt man aber auch Dinge, die man früher schlicht übersehen hat, wie zum Beispiel eine kleine Kirche (schätzungsweise aus den Fünfzigern), die es geschafft hat, dem Modernisierungsdrang zu trotzen und sich hartnäckig im Schatten des gigantischen Encore-Hochhauses hält. Oder den Brahma-Schrein beim Caesar’s Palace, den ich vorher noch nie gesehen habe. Aber ein bisschen geistlichen Beistand kann diese sündige Stadt durchaus gebrauchen…

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2013 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.