Vor sieben Jahren war ich einmal im kalifornischen Sacramento. Mark G., ein gemeinsamer Freund und ich fuhren damals von Reno kommend nach San Francisco und haben unterwegs in der Hauptstadt des Westküstenstaates Halt gemacht, weil es nicht sonderlich viele interessante Orte auf dem Weg gab und wir uns dachten, Sacramento könnte einer von ihnen sein. War er dann aber nicht. Im Gegenteil, wir hielten in der Nähe des Kapitols, sahen uns um, schossen ein paar Fotos und fanden die Stadt so durchschnittlich amerikanisch und so wenig aufregend, dass wir uns gleich wieder ins Auto setzten …
Uns ging es also ein wenig so wie der Hauptfigur in Lady Bird, und ich musste daran denken, als ich – vor unserem diesjährigen USA-Urlaub – den Film gesehen habe.
Lady Bird
Lady Bird (Saoirse Ronan) heißt eigentlich Christine und lebt in Sacramento, wo sie gerade die High-School abschließt. Sie findet ihr Leben in Kalifornien ziemlich langweilig und provinziell und würde zu gerne an der Ostküste studieren, die sie mit einem aufregenden und kultivierten Lebensstil verbindet, aber ihre Leistungen als Schülerin sind nur durchschnittlich, und ihre Eltern (Laurie Metcalf und Tracy Letts) können kaum ihre katholische Privatschule finanzieren, geschweige denn eine Elite-Universität. Im letzten Sommer vor dem Schulabschluss verliebt sich Lady Bird zuerst in den bodenständigen Danny (Lucas Hedges) und dann in den coolen Kyle (Timothée Chalamet) und versucht vor allem, sich selbst zu finden – und sich nicht zu sehr mit ihrer Mutter zu zoffen …
Greta Gerwig schrieb und inszenierte den Film, der lose auf ihrer eigenen Biografie beruht. Hoffen wir mal, dass die Beziehung zu ihrer Mutter nicht so turbulent verlaufen ist wie die ihrer Hauptfigur, die sich mitunter wie ein hysterischer Teenager aufführt und ungeheuer verletzende Dinge zu ihr sagt. Dadurch gelingen ihr aber immer wieder auch vereinzelte Momente schmerzhafter Wahrheit.
Es ist ein nahezu klassischer Coming-of-age-Stoff mit einer interessanten weiblichen Note, vergleichbar mit Juno, wenn auch nicht so komisch oder intensiv. Die Story ist von einer alltäglichen Banalität, handelt von schulischen Veranstaltungen und Problemen, der ersten Liebe, Freundschaften und familiären Sorgen, die in erster Linie auf das Aufeinanderprallen gegensätzlicher Persönlichkeiten zurückzuführen sind. Mutter und Tochter schenken sich in ihren verbalen Auseinandersetzungen nichts, die eine will ihr Kind vor Enttäuschungen bewahren und ist ungeheuer pragmatisch, die andere fordert ihr (amerikanisches) Recht auf die großen Träume ein und weigert sich, die schnöde Realität anzuerkennen. Als (erwachsener) Zuschauer mag man beide gleich gern.
Trotz all dieser vielen augenscheinlichen Belanglosigkeiten ist der Film nie langweilig, sondern zeichnet ein weitgehend unaufgeregtes und „normales“ Bild von einer amerikanischen Mittelschichtsfamilie Anfang dieses Jahrtausends. Die Figuren sind allesamt sympathisch, die Regie ist durchweg solide, die Geschichte funktioniert – und dennoch fragt man sich, warum ausgerechnet dieser Film so von den Kritikern geliebt und für diverse Preise nominiert wurde, von denen er manche auch erhalten hat.
Insgesamt eine solide, wenn auch etwas halbgare Story, die nie richtig Fahrt aufnimmt, nicht langweilt, aber auch nicht richtig gut unterhält. Im Grunde eine Geschichte wie Sacramento selbst …
Note: 3