Aladdin

Wir sind doch alle irgendwie Kinder von Walt Disney. Jeder ist mit den Zeichentrickfilmen aus dem Maus-Haus aufgewachsen, die früher immer wieder mal in Kino liefen – mein erster Film auf der großen Leinwand war Das Dschungelbuch in einer Wiederaufführung – und später dann auf Video und DVD erschienen. Als das Studio Ende der Achtziger eine neue Reihe von Animationsklassikern wie ArielleDie Schöne und das Biest und eben Aladdin schuf, war ich jedoch schon zu alt für solche Filme (oder hielt mich für zu erwachsen und sah nur Arthaus-Produktionen …). Heute weiß ich, man ist nie zu alt für Märchen, daher habe ich mir die neueste Realverfilmung eines Disney-Klassikers auch im Kino angeschaut.

Aladdin

Aladdin (Mena Massoud) ist ein Dieb auf den Straßen eines kleinen Sultanats, der sich rasante Verfolgungsjagden mit den Wachen liefert, die im Auftrag des Großwesir Jafar (Marwan Kenzari) unterwegs sind. Jafar träumt davon, die Macht im Staat an sich zu reißen, aber dazu benötigt er die Magie eines Dschinns (Will Smith). Dieser haust in einer Wunderlampe, die in einer Schatzhöhle versteckt ist und nur von jemandem gefunden werden kann, der sein wahres Wesen noch nicht enthüllt hat. Als Aladdin eines Tages die schöne und kluge Prinzessin Jasmine (Naomi Scott) kennenlernt, verliebt er sich Hals über Kopf in sie und dringt in den Palast ein. Dort wird Jafar auf ihn aufmerksam und benutzt ihn, um an die Zauberlampe zu gelangen …

Man könnte meinen, Disney habe allein für diese Produktion den Farbfilm erfunden. Alles ist so bunt, so überbordend und überproduziert, dass man sich fragt, welche Drogen die Set- und Kostümdesigner genommen haben. Hier wird jedenfalls nicht gekleckert, sondern ordentlich geklotzt. Vielleicht braucht es ja diesen psychedelischen Farbrausch, die wirbelnden Derwische und Bollywoodtänzerinnen, die Elefanten, Strauße und schrägen Haustiere, um den märchenhaften Charakter zu betonen. Eine Wunderlampe und ein fliegender Teppich reichen heute vielleicht nicht mehr, um einen Hund hinter dem Ofen hervorzulocken.

Blendet man all den Firlefanz aus, bleibt ein solide erzähltes Märchen aus Tausendundeiner Nacht übrig, das von einem rechtschaffenen Dieb, einer Prinzessin in Nöten und einem machtgierigen Zauberer handelt. Sowie von einem überdrehten Dschinn. Allen gemeinsam ist, dass sie mit ihrer Stellung hadern, der Dieb wäre gerne ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft, die Prinzessin würde lieber herrschen als an einen potentiellen prinzlichen Thronfolger verschachert zu werden, der Großwesir wäre gerne Sultan anstelle des Sultans und der Dschinn ein normaler Mensch. So sehnt sich jeder nach etwas, das er nicht hat, aber im Laufe des Films bekommt. Manche allerdings nur für kurze Zeit, denn am Ende wird das Böse natürlich bestraft und das Gute belohnt.

Schön ist, dass die Produzenten sich von manchen Geschlechterklischees getrennt haben. Jasmine darf am Ende ihrem Vater auf dem Thron nachfolgen und zeigt sich auch sonst sehr selbstbewusst und ambitioniert. Man kann sich gut vorstellen, dass Aladdin nach der Hochzeit die Kinder aufzieht und eine wohltätige Stiftung leitet. So ändern sich die Zeiten, und das ist auch gut so.

Dass Guy Ritchie Regie geführt hat, merkt man kaum, allenfalls in den rasanten Verfolgungsjagden, und es ist vermutlich sein untypischster Film. Was kann ich noch sagen? Die musikalischen Einlagen, die mich ansonsten immer abhalten, mir diese Animationsfilme anzusehen, waren stellenweise sogar gelungen (ein Fan werde ich dennoch nicht). Will Smith kapert mit seinem ersten Auftritt die Leinwand und hat mehr Energie als ein Duracellhase, nervt jedoch gelegentlich ein wenig. Der böse Jafar lässt sich ein wenig zu schnell austricksen, was aber auch damit zusammenhängt, dass die erste Hälfte des Films etwas zu lang geworden ist und die Handlung erst spät an Tempo zulegt. Irgendwie scheinen die Macher so sehr von der Ausstattung, den Kostümen und den Choreografien berauscht gewesen zu sein, dass sie den Erzählrhythmus etwas aus den Augen verloren haben.

Alles in allem ein amüsanter Zeitvertreib, etwas zu überdreht und bunt, aber mit gut aufgelegten Schauspielern und einem modernistischen Anstrich.

Note: 3

 

 

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.