Herr Rossi und die alte Tante ARD

Vorgestern habe ich einen Teller zerbrochen. Nachdem ich mich kurz über meine Tollpatschigkeit geärgert hatte, dachte ich: Scherben bringen Glück (na ja, mein erster Gedanke war: Hach, den brauche ich jetzt wenigstens nicht abzuwaschen, aber so klingt es besser). Damit liege ich diese Woche voll im Trend, denn in der ARD dreht sich alles um das Glück, und ein solch philosophisches Thema hätte man der alten Tante gar nicht zugetraut, vor allem da es auch noch positiv besetzt ist, was eine angenehme Abwechselung zu der üblichen schweren Kost darstellt, mit der man sich sonst auf diesem Sender herumschlagen muss.

Am Montag suchte Anke Engelke Sowas wie Glück in einer einstündigen Doku, die – Überraschung! – auf einer Kinderkrebsstation begann. Pro7 hätte seinen Moderatoren vermutlich nur eine rote Nase aufgesetzt und die Show der zehn glücklichsten Momente der Geschichte (Platz eins: der Mauerfall), die Show der zehn glücklichsten Menschen (kommentiert von den üblichen C-Promis) oder die Show der zehn glücklichsten Gewinner einer Pro7-Castingshow präsentiert. Aber bei der ARD bekommt man bekanntlich Qualität geboten, und ausnahmsweise stimmte das sogar. Trotzdem habe ich mir nicht die gesamte Doku angeschaut, denn für mich war das Thema Glück bereits nach zehn Minuten erschöpft.

Am Freitag liefert die ARD übrigens dann doch noch eine Show zum Thema ab, moderiert von Eckart von Hirschhausen, der als Arzt immerhin noch Glückspillen verordnen kann, falls alle anderen Mittel versagen. Als Kabarettist war der Mann ja noch ganz gut, aber als Moderator ist er leider die reinste Schlaftablette. Obwohl das vermutlich vom ARD-Publikum gewünscht wird, das mehr oder weniger die zwei Stunden vor der Glotze wegdämmert. Dieter Nuhr nimmt danach den Ball auf und holt jene ab, die noch halbwegs wach sind. In gewohnter Bescheidenheit nennt er seine Sendung Nuhr im Glück, und man braucht keine Kristallkugel, um zu wissen, was hier auf einen zukommt. Damit endet dann die ARD-Themenwoche, und jeder Zuschauer weiß, was Glück bedeutet: Man hat eine weitere Woche deutsches Fernsehen überlebt.

Nur schade, dass die ARD nicht Herr Rossi sucht das Glück wiederholt, eine italienische Serie von Kurzfilmen aus den Siebzigern, in denen ein Arbeiter, der unter seinem cholerischen Chef leidet, dank einer magischen Pfeife durch die Weltgeschichte reist, um das Glück zu finden. Leider trifft er immer nur seinen Chef. Aber als dieser am Ende selbst in die Pfeife bläst und verschwindet, wird alles besser. Ach, könnte man so manchen Redakteuren nur ebenfalls eine solche Pfeife unterjubeln…

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Pi Jays Corner von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.