Die Tücken des Internets

IMG_5892_smallDer Airbus 380 ist ein verdammt großer Vogel. Wenn man wie ich unter (inzwischen zum Glück nur noch sehr schwach ausgeprägter) Flugangst leidet, sind in erster Linie einem kleine Maschinen suspekt, weil sie viel stärker Stürmen und sonstigen Gefahren der Natur ausgeliefert sind. Zu groß sollten sie aber auch nicht sein, weil ich mir – Physik hin oder her – einfach nicht vorstellen kann, wie so ein Koloss überhaupt abheben, geschweige denn in der Luft bleiben soll.

Nun, er ist abgehoben und er blieb in der Luft, und es war sogar ein ganz angenehmer Flug nach Los Angeles. Ich habe mittlerweile meinen Frieden mit der Fluggesellschaft mit dem Kranich geschlossen, nachdem wir vor einigen Jahren keine guten Erfahrungen mit ihr gemacht hatten. Aber diesmal lief alles glatt, der 380er hat bequeme Sitze und ist erfreulich leise. Selbst die französische Familie mit drei kleinen Kindern, die in den beiden Reihen vor uns saß, hat viel weniger Lärm gemacht als befürchtet. Und zur Ablenkung habe ich mir zwei Filme angesehen: Die Erfindung der Wahrheit und Der seidene Faden. Weil es keine aktuellen Filme mehr sind und es hier in erster Linie um die Reise geht, folgen die Kritiken später.

Beunruhigt hat mich an Bord eigentlich nur eine Sache: Es wurde explizit davor gewarnt, Handys und Tablets zwischen die Sitze rutschen zu lassen. Zum einen können sie dort beim Verstellen der Lehne beschädigt werden, zum anderen könnten sie Feuer fangen. Wie oft muss das wohl schon passiert sein, wenn es extra erwähnt wird? Und kann ein Flugzeug bei einem solchen Feuer abstürzen?

Am besten, man denkt nicht darüber nach. Blöd ist nur, dass das Internet eine Menge solcher Gefahren heraufbeschwört, und fast immer dann, wenn man glaubt, davon betroffen sein zu können. So habe ich kurz vor dem Abflug ein Video über Stare gesehen, die vor rund hundert Jahren von Europa in die USA gebracht und dort ausgewildert wurden. Keine große Sache, sollte man meinen, doch inzwischen gibt es Millionen Exemplare, die in Schwärmen das Land durchstreifen und dabei immer wieder in die Triebwerke von Flugzeugen geraten, woraufhin diese abstürzen. Und auch über dieses Szenario aus einem zweitklassigen Horrorstreifen sollte man tunlichst nicht nachdenken.

Besser, man konzentriert sich auf das Naheliegende, etwa die Verpflegung, an der sämtliche Fluggesellschaften noch arbeiten könnten. Während der zwölf Stunden, die unser Flug gedauert hat, gab es Mittag- und Abendessen, und beide Male hatten wir die Wahl zwischen Hühnchen und Pasta, was man nicht gerade als einfallsreich bezeichnen kann, obwohl das Huhn einmal in einer BBQ- und einmal in Senfsauce serviert wurde. Pasta wäre natürlich eine Alternative gewesen, aber die Nudeln sehen immer so unappetitlich aus, dass ich stets beim Geflügel lande. Warum kann man nicht einmal etwas anderes servieren? Und wenn es Pute ist. Oder ein paar Gemüsesticks anstelle der Schokolade und Schokoriegel. Beim Anblick unserer jüdisch-orthodoxen Mitreisenden habe ich sogar mit dem Gedanken gespielt, beim Rückflug koscheres Essen zu bestellen, aber wahrscheinlich gibt es dann koscheres Hühnchen …

Erstaunlicherweise gab es bei der Einreise kaum lange Wartezeiten. Zum Teil liegt das daran, dass inzwischen Dutzende von Maschinen bereitstellen, an denen man sich anmelden und die erkennungsdienstliche Ermittlung selbst durchführen kann. Man fühlt sich bei der Abgabe von Fingerabdrücken dann zwar immer noch wie ein Verbrecher, aber immerhin wie jemand, er sich aus freien Stücken der Justiz gestellt hat. Das Foto, das von mir gemacht wurde, war allerdings eine Katastrophe. Ich sehe darauf so müde und derangiert aus, als hätte ich zwei Tage lang nicht geschlafen, aber dafür kräftig gefeiert. Unwillkürlich kam mir bei dem Anblick der Gedanke, dass, sollte ich aus irgendeinem Grund jemals in den USA zur Fahndung ausgeschrieben werden, genau dieses Bild in den Zeitungen und TV-Sendungen auftauchen wird.

Sogar bei unserer Mietwagenfirma gab es keine endlos langen Schlangen wie sonst. Hatten wir einfach nur Glück oder reisen tatsächlich viel weniger Leute nach Amerika? Das Auto, das wir für unsere Rundreise ausgewählt haben, hat eine schwer zu bestimmend Farbe. Es ist eigentlich silber-gau, wirkt aber je nach Lichteinfall, Tageszeit oder Laune eindeutig blau. Was aber außer uns kaum jemand wahrzunehmen scheint. Unsere Freunde sind jedenfalls der Meinung, dass der Wagen silbern ist, und ich bin mir allmählich auch nicht mehr sicher, ob ich mir dieses zarte Blau nicht vielleicht nur eingebildet habe. Farbhalluzinationen durch Schlafmangel. Sollte ich vielleicht mal googeln. Nur fürchte ich bei meiner hypochondrischen Veranlagung, dass ich dann mit den Symptomen einer exotischen, aber tödlichen Krankheit konfrontiert werde …

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2018 und verschlagwortet mit von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.