Vera Cruz

Ende letzten Jahres hatten wir wieder einmal für eine Weile ein Sky-Ticket (oder Wow-Ticket) gebucht, um einige Filme nachzuholen, aber vor allem House of the Dragon zu sehen, das – mal so nebenbei bemerkt – etwas enttäuschend war. Im Angebot waren auch etliche Klassiker und alte Filme, die ich entweder noch gar nicht kannte oder nach langer Zeit wieder anschauen wollte. Darunter auch etliche Western, von denen ich immerhin einen geschafft habe, bevor das Ticket abgelaufen war.

Vera Cruz

Nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs zieht der Südstaaten-Offizier Benjamin Trane (Gary Cooper) als Glücksritter nach Mexiko, wo gerade eine Rebellion gegen Kaiser Maximilian (George Mcready) tobt. Als Tranes Pferd sich ein Bein bricht, bietet ihm der zwielichtige, gerissene Joe Erin (Burt Lancaster) ein Pferd zum Kauf an. Doch nicht nur verlangt er einen unverschämt hohen Preis dafür, das Tier ist zudem noch gestohlen, und schon bald ist ihnen deshalb eine Abteilung kaiserlicher Dragoner auf den Fersen. In der Not werden sie zu Gefährten, die sich stets misstrauisch beäugen und nach einigen Abenteuern vom Kaiser anheuern lassen, um eine hübsche Adelige (Denise Darcel) zu eskortieren. Dabei entdecken sie, dass die Dame eine Menge Gold mit sich führt – und planen spontan, es zu stehlen …

Western handeln ja zumeist von der amerikanischen Landnahme, den Kämpfen gegen die vertriebenen Ureinwohner, Bandenkriegen oder manchmal auch einer Mischung aus diesen Themen. Umso angenehmer ist es, dass sich ein Film einmal einem anderen Topic verschrieben hat, die Handlung in Mexiko spielt – und tatsächlich auch dort gedreht wurde. Auch wenn das Resultat dann wieder wie ein typischer Western aussieht, mit ein wenig mexikanischem Flair und einer unerwarteten Flamenco-Einlage. Dabei wäre der Auftritt einer Mariachi-Band wesentlich passender gewesen, behauptet eine Legende doch, dass die Musik während der Rebellion gegen Maximilian entstand, um ihn zu verhöhnen. Tatsächlich wurde der Kaiser bei seiner Ankunft in Mexiko von einem Ensemble schief grölender Bettler empfangen, aber der Zusammenhang zur Mariachi-Musik ist nicht gesichert.

Die unglückliche Herrschaft von Kaiser Maximilian wäre in der Tat einen eigenen Film wert, und es ist schade, wenn auch nicht weiter verwunderlich, dass das Drehbuch von Roland Kibbee und James R. Webb nicht auf die historischen Hintergründe eingeht. Stattdessen konzentrieren sie sich auf die beiden ungleichen Helden. Trane ist zwar ein Südstaaten-Offizier, aber auch ein Gentleman mit Manieren und einem Mindestmaß an Moral, während Erin ein skrupelloser Soziopath ist, der sich etwa durch die Androhung, Kinder zu töten, aus einer Gefangenschaft befreit.

Burt Lancaster verkörpert diesen gewissenlosen Burschen mit sichtlicher Freude und einem breiten Dauergrinsen, in dem sich seine ganze Arroganz offenbart. Dagegen kann Gary Cooper, der ohnehin immer etwas hüftsteif wirkt, nur verlieren. Tatsächlich ist die andauernde Rivalität zwischen den beiden ungleichen Männern, die sich nicht nur mit Worten bekriegen, der interessanteste Handlungsstrang.

Regisseur Robert Aldrich und sein Kameramann Ernest Laszlo inszenieren dieses Abenteuer einerseits mit beeindruckenden Landschaftsaufnahmen und etlichen, gut choreografierten Actionszenen, andererseits als moralisches Schaustück über menschliche Gier. Ausnahmslos jede Figur hat etwas zu verbergen oder hegt finstere Absichten und scheut sich nicht, andere für ihren Vorteil zu benutzen und bei der ersten sich bietenden Gelegenheit abzuservieren. Selbst die Liebesbeziehungen, die sich hier eher oberflächlich andeuten, sind nur Mittel zum Zweck und vor allem von Verrat geprägt. Psychologisch ist das faszinierend und bisweilen erschreckend, es sorgt zudem für jede Menge Wendungen.

Insgesamt hätte man dennoch mehr aus dem Stoff herausholen können, wenn Aldrich sich mehr Zeit genommen und das Buch sich mehr auf die Figuren eingelassen hätte. Mit knapp neunzig Minuten ist der Film für die Fülle an Material einfach zu kurz.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.