Austenland

Autoren haben in der Regel Leser, einige jedoch haben Fans. John Irving etwa oder auch Jane Austen. Ich glaube, die Austen-Fans nennen sich selbst Janeites, sie veranstalten Treffen in historischen Kostümen, schreiben Aufsätze zu bibliografischen oder biografischen Themen und füllen ganze Webseiten mit Informationen über das Werk ihrer verehrten Künstlerin bzw. deren filmische Adaptionen. Abgesehen von Charles Dickens gibt es wohl kaum einen Schriftsteller bzw. eine Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts, deren Bücher noch immer so leidenschaftlich gelesen und so häufig verfilmt werden. Neben den klassischen Adaptionen ihrer wenigen Romane, die ungefähr alle zehn Jahre neu verfilmt werden, gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Büchern und Filmen, die sich diesem Themengebiet verschrieben haben. Geliebte Jane handelte etwa von Jane Austen und ihrem Liebesleben, Clueless war eine moderne Interpretation von Emma, und mit der Mini-Serie Death comes to Pemberley wurde ein Krimi verfilmt, der auf spannende Art Stolz und Vorurteil fortschrieb. Sogar Filme über Jane Austen-Fans gibt es, wie die skurrile und unterhaltsame Mini-Serie Lost in Austen über eine Frau des 21. Jahrhunderts, die es in Stolz und Vorurteil verschlägt, oder …

Austenland

Jane (Keri Russell) ist von Jane Austens Büchern, insbesondere von Stolz und Vorurteil (und der legendären Verfilmung mit Colin Firth) geradezu besessen. Nach dem Ende einer weiteren miesen Beziehung, opfert sie ihre gesamten Ersparnisse, um Austenland zu besuchen. Auf dem feudalen britischen Landsitz können romantisch veranlagte, junge Damen für viel Geld leben wie zur Zeit von Jane Austen – romantische Verwicklungen, Teegesellschaften und ein Ball inklusive. Leider reicht es bei Jane nur für das „Kupfer-Paket“, so dass ihr ein zugiges Zimmer unterm Dach und die wenig glanzvolle Rolle der armen Verwandten zugedacht wird. Doch ein fescher Stallbursche (Bret McKenzie) tröstet sie über so manche Gemeinheit hinweg. Und dann ist da noch der arrogante, aber auch sehr höfliche Mr. Nobley (J.J. Feild), der zu ihrem ganz persönlichen Mr. Darcy wird …

Die Grundidee ist famos und bietet reichlich komödiantisches Potential, das vor allem aus den Gegensätzen zwischen Historie und Gegenwart sowie den romantischen Vorstellungen der Besucherinnen und der tatsächlichen Rolle der Frau im 19. Jahrhundert resultiert. Leider wird es nur ansatzweise ausgeschöpft. Regisseurin Jerusha Hess schrieb zusammen mit der Autorin der Romanvorlage, Shannon Hale, am Drehbuch, doch es gelingt ihnen nicht, das Setting überzeugend zu erklären. Es ist schwer zu glauben, dass für lediglich drei zahlende Besucherinnen ein solcher Aufwand getrieben wird, und auch die permanente Herabwürdigung würde sich niemand, der eine so teure Reise gebucht hat, ernsthaft gefallen lassen. Die beiden Damen haben sich zwar Mühe gegeben, Figuren und Handlungsstränge der Austen-Romane aufzugreifen, übertreiben dabei aber permanent und bedienen sich einer Psychologie mit dem Holzhammer. Janes Austen würde sich über so viel Schlamperei im Grabe umdrehen.

Jennifer Coolidge als reiche, vulgäre Elizabeth bringt einerseits eine nette, überdrehte Note in die Geschichte, passt andererseits aber so perfekt in die Austenwelt wie Ronald McDonald. Auch das hätte, für sich genommen, noch für eine Menge Komik sorgen können, wenn das Verhalten dieses sehr schrillen Charakters nicht auf die anderen Figuren abgefärbt hätte, so dass die Szenen häufig in eine peinliche Travestie abgleiten. Die Macher nehmen ihre eigene Geschichte einfach nicht ernst und opfern sie für einige alberne Zoten, die nicht zum anfänglichen Ton des Films oder ihren Absichten passen. Was als feinsinnige Gesellschaftskomödie gedacht war, verwandelt sich bald in geschmackloses Bauerntheater.

Keri Russell müht sich nach Kräften, ihrer Jane eine naive Grundhaltung zu geben, die im Verlauf der Geschichte zu einiger Ernüchterung führt und damit letztendlich zu einer Reifung. Das ist nicht schlecht gespielt, wird aber oft von miserablen Drehbuch- und Regieeinfällen konterkariert. Dass sie am Schluss noch ihren Mr. Darcy findet, ist dann eher dem Willen der Autorin als derem Talent geschuldet, doch ein Happy End ist nicht nur tröstlich, sondern irgendwie auch versöhnlich, daher …

Note: 4-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.