Schlange im Paradies

Leser in Deutschland, die unter Schmuddelwetter und Kälte leiden, werden mich jetzt hassen: Gestern schien hier auf dem Berg den ganzen Tag lang die Sonne, es war mit sechzehn Grad relativ warm – und es soll noch eine Woche lang so bleiben. Aber genug vom Wetter.

In einer Form von ausgleichender Gerechtigkeit hat mich dafür die Erkältung voll im Griff, weshalb dieser Bericht kürzer als gewohnt ausfällt. Außerdem ist nicht allzu viel passiert. Unser Gärtner ist wieder aufgetaucht, und auch die Haushalthilfe war hier und hat fleißig gewerkelt. Nur den Müll hat sie vergessen, zumindest einen Teil davon, der jetzt auf dem Küchenbalkon vor sich hinmüffelt. Alles geht also seinen gewohnten Gang. Wir drehten zu den üblichen Zeiten unsere Runden um den Berg, die Hunde tollten im Gras herum und ließen es sich gutgehen. Wie im Paradies.

Dazu passt eine dramatische Begegnung am Vormittag. Plötzlich wurden die Hunde sehr aufgeregt, sie stöberten in der Böschung herum und sprangen dabei immer wieder vor und zurück. Als wir näherkamen, sahen wir eine riesige Schlange, die sich bedrohlich im Gras aufgerichtet hatte. Okay, das klingt jetzt nach einer Anaconda, die im Begriff war, die Hunde zu fressen, aber gut einen Meter lang war die Schlange auch, ungefähr vier bis fünf Zentimeter dick und grasgrün. Aufgerichtet wie eine Kobra – ich bilde mir auch ein, sie zischen gehört zu haben –, verteidigte sie sich gegen die Hunde und verschwand dann in einem Loch unter einem Stein in der Böschung. Die Hunde schnüffelten noch eine Weile herum, ließen dann aber von dem Versteck ab. Seither sind wir noch ein paar Mal an der Stelle vorbeigekommen, und jedes Mal befällt mich ein ungutes Gefühl. Ich hasse Schlangen, und die Vorstellung, dass sie dort lauern oder gerade auf einem Ausflug sein und mir jederzeit über den Weg kriechen könnte, behagt mir gar nicht.

P_20141119_133533Entweder hat die Begegnung mit der Schlange mich aus dem Gleichgewicht gebracht oder die Erkältung fordert ihren Tribut. Den ganzen restlichen Tag über stand ich leicht neben mir. Bei der Zubereitung der Tomatensauce fürs Abendessen habe ich mir dann auch prompt in den Finger geschnitten, und natürlich war im gesamten Haus kein Pflaster zu finden. Durch die Verletzung gehandicapt, stellte ich mich noch ungeschickter an – und schnitt mich ein weiteres Mal. Als ich anschließend den letzten Rest Tomatenmark aus der Tube quetschen wollte, passierte dann das nächste Missgeschick, nach dem der Boden aussah wie ein abstraktes Gemälde. Jackson Pollock in Italy …

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.