Spider-Man: Homecoming

Es ist eine Binsenweisheit: Je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Paradoxerweise kommt es einem aber auch so vor, als lägen Dinge, die vor zehn oder zwanzig Jahren passiert sind, gar nicht so furchtbar lange zurück, sondern hätten sich quasi erst gestern zugetragen. Ich kann mich noch gut an den ersten Spider-Man mit Tobey Maguire erinnern, der inzwischen schon fünfzehn Jahre auf dem Buckel und mich seinerzeit für das Superhelden-Genre begeistert hat. Für mich hätte es also nicht unbedingt eine weitere Verfilmung dieses Comics gebraucht. Andererseits sind die Sam Raimi-Filme für die heutige Jugend uralt …

Nach ungezählten Superheldenfilmen in den letzten anderthalb Jahrzehnten war meine Begeisterung für diese dritte Inkarnation von Spider-Man vor dem Filmstart nicht sonderlich ausgeprägt. Und wenn ich dann noch lese, dass sage und schreibe sechs (!) Drehbuchautoren am Werk waren, lässt das nichts Gutes erwarten. Immerhin sah der Trailer noch ganz unterhaltsam aus, weshalb ich mich dazu entschieden habe, am Starttag ins Kino zu gehen.

Spider-Man: Homecoming

Seit ihn die Avengers in The First Avenger: Civil War um Hilfe gebeten haben, hat Peter Parker (Tom Holland) nur noch ein Ziel: Er will als Spider-Man unbedingt zum Team gehören. Doch Tony Stark (Robert Downey jr.) schickt ihn zurück nach New York und an die High School. Als „freundliche Spinne aus der Nachbarschaft“ verfolgt Spider-Man seither nur noch Kleinkriminelle und wartet auf das große Abenteuer. Zusätzlich schlägt er sich mit seinem Aufpasser Happy (Jon Favreau) herum, der ihn nicht ganz ernst nimmt, und lebt das ganz normale Leben eines Teenagers, inklusive Liebeskummer. Doch dann stolpert er eines Tages über die kriminelle Vereinigung von Adrian Toomes (Michael Keaton), der aus illegal beschafften Alien-Artefakten Waffen baut …

Das Beste, was die vielen Autoren sich überlegt haben, war, bei dem Neustart nicht noch einmal zu erzählen, wie aus Peter Parker Spider-Man wurde. Die zweitbeste Idee war, den Helden mit einem Teenager zu besetzen oder zumindest mit einem Schauspieler, der gerade erst diesem Alter entwachsen ist. Tom Holland sieht so jung und bubihaft aus, wie man sich Peter Parker vorstellt, und auch seine nervige Überdrehtheit, der Jugendslang und die notorische Ungeduld passen hervorragend zu der Figur. Gleichzeitig ist er auch ein guter Schauspieler, der die komödiantischen Aspekte ebenso gut rüberbringt wie die eher dramatischen Momente.

Gelegentlich geht einem der pubertäre Humor und das unentwegte Gequassel ein wenig auf die Nerven, aber die meisten Gags funktionieren, und mit Jacob Batalon als Peters bestem Freund Ned gibt es auch einen witzigen Sidekick, der recht bald hinter das Geheimnis kommt. So hat Peter wenigstens jemanden, dem er seine Sorgen anvertrauen kann und der ihm gegen Ende zu Hilfe kommt. Selbstverständlich ist Ned ein gewiefter Hacker und Computernerd, der seine körperlichen Defizite mit Brainpower wettmachen kann. Auch sonst wimmelt es nur so vor den üblichen Charakteren, wie man sie aus High School-Filmen kennt: das unerreichbare Mädchen, das der Held anhimmelt, den fiesen Gegner, der eifersüchtig auf den Helden ist und ihn bei jeder Gelegenheit lächerlich macht, und eine Besserwisserin, die behauptet, dass ihr alles egal ist, was natürlich nicht stimmt. Eine klischeereiche, aber insgesamt doch gelungene Figurenkonstellation.

Jeder Superheldenfilm ist nur so gut wie sein Schurke. Michael Keaton, der immerhin einmal Batman war, legt seinen Vulture nicht als Comicfigur an, sondern eher als tragischen Helden. Er ist ein Kleinunternehmer, der nur gut für seine Familie sorgen will, aber dann von der Regierung um einen lukrativen Auftrag gebracht wird. Seine kriminelle Karriere ist also eine Mischung aus politischem Protest und genialem Unternehmertum, und letzten Endes nutzt er nur die vorhandenen Möglichkeiten, die ihm die neue, schöne Welt voller Superhelden, Mutanten und Außerirdischen bietet. Dass er weder verrückt ist noch nach der Weltherrschaft strebt, ist auf jeden Fall ein Bonus.

Sicher, das alles ist nicht unbedingt wahnsinnig originell, und man kann schon nach den ersten zehn Minuten genau vorhersagen, wie sich die Geschichte entwickelt und letztlich ausgehen wird, aber das gilt für andere Genres in gleichem Maße. Spaß macht der Film dennoch, und das ist schließlich am Wichtigsten. Hier und da gibt es zwar ein paar kleinere Längen, die aber kaum ins Gewicht fallen, und bei den Actionszenen muss man ganz schön aufpassen, um mitzubekommen, was gerade passiert, weil die Kamera mal wieder zu nah dran ist am Geschehen.

Als ich auf das Ende des Abspanns und den üblichen Schlussgag gewartet habe, musste ich feststellen, dass ich mich tatsächlich auf ein Wiedersehen mit dem neuen Spider-Man freue. Und das ist beim Reboot eines Reboots ja schon mal was …

Note: 2

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.