Biblische Plagen

Seltsamerweise stehe ich im Urlaub früher auf als zu Hause. Zum Teil liegt das daran, dass wir wandern gehen wollen und deshalb früh raus müssen oder einen langen Weg zu unserer nächsten Reiseetappe vor uns haben. Diesmal lag es jedoch an den früheren Bewohnern des Hotelzimmers, die vergessen haben, den Wecker auszuschalten, so dass er um sechs Uhr Krach machte. Kein Radioprogramm, das einen hochschrecken lässt, wenigstens das nicht, sondern ein penetrantes Rauschen, das ich zuerst für die Dusche im Nachbarzimmer gehalten habe. Erst nach ungefähr fünfzehn Minuten, als ich schon drauf und dran war, bei dem unverschämten Dauerduscher die Tür einzutreten, bemerkte ich die Ursache des Lärms…

Las Vegas wird ja gerne als Sin City bezeichnet, und wer die Bibel kennt, weiß, was sündigen Städten blüht. Zu den Plagen gehören auch Heuschreckenschwärme, die über die Ernste herfallen. Nun, Ackerflächen werden sie hier wohl nicht finden (höchstens Büffets), dafür haben sie mein Hotelzimmer entdeckt. Gleich zwei große Heuschrecken verirrten sich am Abend herein, obwohl die Fenster geschlossen waren, und mehrere lauerten auf der Fensterbank. Ein Zeichen? Sollte ich Vorräte kaufen und einen unterirdischen Bunker anlegen?

Der Tag verlief ansonsten völlig unspektakulär: Am Mittag ging es zum Büffet im Rio, was leider nicht mehr so gut ist wie vor acht Jahren. Dafür hat es eine riesige Auswahl mit sehr vielen Spezialitäten aus diversen Ländern. Besonders gut waren die Suppen in der Japan-Ecke, die frisch zubereitet werden (man kann dem Koch dabei auf die Finger gucken und aufpassen, dass er nicht hineinspuckt).

Nach dem Essen ging es ins Kino:

Don Jon

Jon (Joseph Gordon-Levitt) führt ein großartiges Leben: Er hat eine nette Wohnung, die er hingebungsvoll pflegt, eine Familie, die er liebt, obwohl seine Eltern (Tony Danza und Glenne Headley) ihn nerven, und gute Freunde. Außerdem hat er viel Glück bei den Frauen, verbringt fast jede Nacht mit einer anderen, ist sexuell aber nicht wirklich befriedigt, weil seine Abenteuer nie so aufregend sind wie die Pornos, die er täglich konsumiert. Eines Tages lernt er Barbara (Scarlett Johannson) kennen und verliebt sich in sie. Barbara bringt ihn dazu, wieder zur Schule zu gehen, wo er die unkonventionelle Esther (Julianne Moore) trifft, und hat ihn auch sonst unter der Fuchtel. Als sie ihn dabei erwischt, wie er Pornos schaut, beginnt ihre Beziehung zu kriseln…

Joseph Gordon-Levitt ist schon seit vielen Jahren im Geschäft, fing als Kinderstar an (Hinterm Mond gleich links), war häufig in Independent-Produktionen (Brick) zu sehen, und startet nun wohl eine neue Karriere als Regisseur und Autor. Sein Debüt ist erstaunlich stilsicher gelungen, wobei er besser inszeniert als schreibt. Obwohl eine Liebesgeschichte, ist der Film weit von den üblichen RomComs entfernt und macht sich sogar auf clevere Art über sie lustig. Leider bedient er als Autor die üblichen Geschlechter-Klischees, ohne sie zu brechen, inszeniert sich aber so hingebungsvoll als naiven, pornosüchtigen Womanizer und Scarlett Johannson als manipulative, verwöhnte Zicke, dass man ihm dafür nicht böse sein kann. Die Entwicklung seiner Figur kommt jedoch zu abrupt, das Ende insgesamt zu gewollt unkonventionell und gerade deshalb zu vorhersehbar, um gänzlich zu überzeugen. Dennoch ein in sich stimmiges, sehr souveränes Debüt.

Note: 3

Am frühen Abend machte ich noch einen Abstecher zur Boulevard Mall, von der es im Reiseführer hieß, sie sei die größte in Nevada. Zwar kommt mir die Fashion Mall am Strip größer vor, aber wer will schon kleinlich sein? Entscheidender ist, dass ich hingegangen bin, weil ich hoffte, dort eine Buchhandlung zu finden. Leider wurde ich nicht fündig. Zum Glück gibt es ja das Internet (wenigstens dafür ist die moderne Kommunikationstechnologie gut, wenn man schon auf dem Klo gezwungen ist, die Telefonate der Nachbarn mitanzuhören)…

Nach kurzer Recherche im Internet habe ich immerhin drei Filialen einer großen Kette gefunden, allerdings relativ weit weg. Es ist traurig, dass man überall nur auf dieselben Geschäfte trifft, hauptsächlich Modeläden bekannter Designer, Juweliere, Souvenirgeschäfte und Restaurants. Und im nächsten Hotel gibt es wieder dieselben Shops. Dabei lesen die Leute durchaus, am Pool etwa – aber meist Sachen wie Danielle Steel, Maeve Binchy (Frauen) oder Krimis und Science Fiction (Männer) unbekannter Autoren, die sie wahrscheinlich am Flughafen noch schnell mitgenommen haben, zusammen mit einer Flasche Wasser oder Parfüm aus dem Duty Free-Geschäft. Aber wir wollen hier ja nicht anfangen, Zivilisationskritik zu üben – und ich habe immerhin noch Alice im Wunderland (den Roman, nicht den Film) auf dem iPad…

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2013 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.