Musik liegt in der Luft

IMG_6540_smallAm Dienstag ging es weiter nach New Orleans. Die Strecke ist die meiste Zeit über recht unspektakulär, weil wir den Highway anstelle der Küstenstraße genommen haben, aber wir dachten uns, ein bisschen mehr Zeit in The Big Easy wiegt ein paar malerische Bayous und nicht ganz so pittoreske Industrieanlagen am Meer auf.

Unterwegs jagte uns unser Mietwagen noch einen kleinen Schrecken ein, denn er verlangte nach einem> ölwechsel. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das mit zwei Wagen innerhalb von vierzehn Tagen passiert? Sollten wir uns vielleicht Lotterielose kaufen? Nachdem> Herr Google uns zuerst zu einer nicht existenten Filiale geschickt hatte und es in einer zweiten keine Ersatzwagen gab, hielten wir telefonisch Rücksprache mit der Mietwagenfirma und bekamen den Rat, den Hinweis einfach zu ignorieren und den Wagen bis Anfang Juni weiter zu nutzen. Oder bis die nächste Warnleuchte blinkt ?

IMG_6541_smallAls wir am Nachmittag endlich in New Orleans ankamen, war es drückend heiß. Die nächsten Tage bleibt es auch so, mit Tem>peraturen knapp unter der vierzig Grad-Grenze (in den Nachrichten sprach man von einer ungewöhnlichen Hitzewelle), die selbst in der Nacht noch bei kuscheligen sechsundzwanzig Grad liegen. Ich war noch nie so dankbar für eine Klimaanlage, auch wenn sie in den meisten Läden und Restaurant etwas zu kalt eingestellt sind. Und für Mark G., der sich eine leichte Erkältung eingefangen hat, dürfte der ständige Wechsel zwischen Heiß und Kalt auch nicht gerade zuträglich sein.

Unser Hotel ist ein altes Stadthaus im Garden District mit einem> verwinkelten Innenhof und kleineren Nebengebäuden. Ein altes Gem>äuer mit viel Charme, knarrenden Dielen und einem> eigenartigen Geruch, wahrscheinlich der Odem> der Geschichte. Aber wir sind nahe am Zentrum und gleichzeitig weit genug entfernt von der Partymeile Bourbon Street. Man könnte sogar zum French Quarter laufen ? wenn es nicht so furchtbar heiß wäre und die Straßenbahn nur eine Querstraße weiter hielte. Außerdem> sind die Tickets spottbillig: Für gerade mal drei Dollar darf man vierundzwanzig Stunden lang fahren so viel man will.IMG_6558_small

Die uralten, klapperigen und unglaublich lauten Straßenbahnen erinnern sofort an San Francisco, und auch die draußen vorbeiziehenden viktorianischen Häuser und Bürogebäude könnten genauso an der Westküste stehen. Mit geöffneten Fenstern durch die St. Charles Street zu fahren, ist jedenfalls ein unvergessliches Erlebnis, auch wenn die alten Wagen in den Kurven manchmal ohrenbetäubend laut quietschen.

IMG_6542_smallDen Nachmittag haben wir damit verbracht, New Orleans zu erkunden, zumindest einen Teil des French Quarters. Aufgrund der vielen Filme, die hier gedreht wurden, hat man unweigerlich das Gefühl, bereits einmal dagewesen zu sein, nur wirkt alles viel enger und kleiner als auf der Leinwand. Dafür sind die Häuser mit ihren berühmten schmiedeeisernen Balkonen wunderschön anzusehen, an jeder Ecke gibt es interessante Geschichten zu hören, und aus jeder Bar perlt Jazz-Musik auf die Straße. Vor allem> in der Bourbon Street gibt es einen Wettstreit der Bars und Restaurant miteinander, wer die lauteste Musik spielt. Hinzu kommen zahlreiche Musiker, die auf den Bürgersteigen spielen, und etliche farbige Jungen, die ? ziem>lich gut übrigens ? auf Plastikeimern trommeln, um damit ihr Taschengeld aufzubessern. Musik liegt in der Luft.

IMG_6563_smallVerglichen mit Savannah, das insgesamt gepflegter und sehr viel sauberer wirkt, kann New Orleans vor allem> mit seinem> rauen Charme punkten ? und mit der allgegenwärtigen Musik. Wir haben uns am Abend noch für eine Stunde ins Caf? Beignet gesetzt, um einer der zahllosen Live-Bands zu lauschen, die ziem>lich gut war. Mir hat es in diesem> kleinen Hof, der sich etwas zu vollmundig Musical Legends Park nennt, auf jeden Fall sehr gut gefallen.

Dieser Eintrag wurde von Pi Jay unter Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2018 veröffentlicht und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen für den Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.