Von Friedhöfen, Voodoo und Beignets

IMG_6599_smallDas Frühstück wurde heute al fresco serviert. Im schmalen Hinterhof unseres Hotels stand ein Tisch mit Kaffee und Tee sowie den üblichen amerikanischen süßen Sachen, mit denen die Leute hier in den Tag starten. Selbst um diese Zeit war es – und ich bin es schon selbst leid, das zu erwähnen – viel zu drückend. Aber es hilft ja nichts, wenn man was sehen will von der Stadt, muss man raus.

IMG_6584_smallIMG_6571_smallNur einige Haltestellen von uns entfernt liegt der historische Lafayette-Friedhof mit den typischen Mausoleen, die in dem> sumpfigen Gelände hier notwendig sind, um die Toten angem>essen bestatten zu können. In der ersten Zeit wurden sie wie sonst üblich in der Erde begraben, wobei man die Särge durchlöchert hat, damit das Wasser eindringen konnte, aber das erschien den Bewohnern bald als zu pietätlos, weshalb man zur bis heute üblichen Praxis überging. Viele dieser zum Teil über hundert Jahren alten Grabstätten sind allerdings ziem>lich verfallen, wirken aber gerade dadurch auch besonders romantisch. übrigens liest man sehr viele deutsche Namen auf den Grabplatten.

Auf dem> Rückweg ins French Quarter haben wir uns noch etwas Zeit gelassen, um die wunderschönen Villen in der St. Charles Street zu bewundern. Dann sind wir, vom Jackson Square startend, wieder durch die malerischen, engen Straßen geschlendert, haben viele berühmte Gebäude gesehen und Geschichten über ihre Bewohner gelesen. über Alice Heine etwa, die im Miltenberger House aufwuchs und später Fürstin von Monaco wurde, oder über Delphine LaLaurie, die Mitte des 19. Jahrhunderts eine Gastgeberin der eleganten Gesellschaft und berüchtigt dafür war, ihre Hausangestellten zu foltern. Wer die dritte Staffel von American Horror Story gesehen hat, erinnert sich vielleicht daran, dass Kathy Bates sie gespielt hat.

Die Band war wieder ganz vorzüglich und spielte zahlreiche Klassiker, das Essen war gut, und eine kräftige Brise sorgte für angenehme Erfrischung ? und wehte den Puderzucker von den Beignets. Nach dem> Essen ging es dann schon bald wieder zurück zur Straßenbahnhaltestelle, noch einmal durch die turbulente, partyselige und nach Müll und Urin müffelnde Bourbon Street, deren Musik uns noch lange verfolgte.

Die Straßenbahn war gerammelt voll mit Nachtschwärmern und erschöpften Touristen. Davon, dass die Stadt 2005 durch den Hurrikan Katrina schwer beschädigt wurde, ist nichts mehr zu sehen, zumindest nicht im Zentrum, das ohnehin weitgehend verschont geblieben ist. Doch noch leben weniger Menschen hier als vor der Katastrophe. Es ist auffällig, wie freundlich die Leute sind; sobald man etwas ratlos auf seinen Stadtplan schaut, fragt ein Einheimischer, ob er weiterhelfen kann. Und die Menschen sind fast alle gut gelaunt. Muss wohl am Wetter liegen …

Insgesamt hat es mir hier gut gefallen, auf jeden Fall besser als ich gestern gedacht hätte. Sicher, einige Ecken wirken etwas heruntergekommen, aber es wird auch viel renoviert, der Boden ist durchweg so uneben, dass man höllisch aufpassen muss, nicht auf die Nase zu fallen, und die vielen Obdachlosen sind ein schockierender und deprimierender Anblick. Dennoch haben wir uns immer sehr sicher gefühlt, was natürlich auch an der starken Polizeipräsenz liegt.

Als wir in der Nähe des Hotels ausstiegen, war mir fast ein wenig wehmütig ums Herz. Unsere Straßenbahn fuhr langsam weiter, der olivgrüne Wagen verschwand laut klappernd und ratternd in der Nacht und seine Räder schlugen knisternde Funken. In diesem> Moment dachte, dass ich bestimmt wiederkommen werde. Eines Tages – wenn es vielleicht ein wenig kühler ist.

P.S. Die nächsten Tage verbringen wir wieder bei Mark G.s Verwandten, diesmal in Houston, bevor es auf die lange Fahrt nach Los Angeles geht. Der nächste Beitrag erscheint dann vermutlich übermorgen.

Dieser Eintrag wurde von Pi Jay unter Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2018 veröffentlicht und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen für den Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.