Elliot, der Drache

Ich vermisse den Wald. Aufgewachsen am Rande eines riesigen Waldes, der direkt hinter unserem Gartenzaun begann, habe ich mich als Kind sehr oft dort aufgehalten, bin auf Bäume geklettert (und runtergefallen), war im Winter Schlittenfahren und habe – ein einziges Mal nur, weil mir das zu gefährlich war – Pilze gesucht. Okay, die Nähe zum Wald hat auch ein paar negative Seiten, Rehe beispielsweise, die den Garten als All-you-can-eat-Buffet betrachten, Rasen, der zu neunzig Prozent aus Moos besteht, oder feuchte, kühle Abende selbst im Hochsommer. Aber seit ich in der Stadt wohne, vermisse ich den Wald …

Wie ich darauf komme? Ganz einfach: Ich habe neulich auf Netflix einen Film gesehen, der in einem Wald gespielt hat …

 

Elliot, der Drache

Pete (Oakes Fegley) macht mit seinen Eltern einen Ausflug ins Grüne, als das Auto der Familie verunglückt und alle bis auf den Vierjährigen ums Leben kommen. Das Kind verirrt sich im Wald und wird von Wölfen angegriffen, erhält aber unerwartete Hilfe von – einem leibhaftigen Drachen. Sechs Jahre später lebt Pete in trauter Harmonie mit dem sanften Riesen, den er Elliot getauft hat. Doch die beiden werden entdeckt, als eine Gruppe Holzfäller (u.a. Wes Bentley und Karl Urban) sich in die Tiefen des Waldes vorwagt. Als sie Elliot entdecken, machen sie gleich Jagd auf ihn. Zum Glück bekommt Pete Unterstützung von der Park Rangerin Grace (Bryce Dallas Howard) und ihrem Vater (Robert Redford).

Streng genommen ist der Film ein Remake des Disney-Klassikers Elliot, das Schmunzelmonster von 1977. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind ein Glas mit dem Zeichentrickdrachen darauf hatte (der Film war eine Mischung aus Realfilm mit einem animierten Drachen), aber nicht, ob ich den Film auch tatsächlich gesehen habe. Die Story selbst basiert auf einer Kurzgeschichte, und insofern kann man auch von einer Neuinterpretation des Stoffes reden.

Beide Geschichten haben inhaltlich nicht viel miteinander gemein. In dem älteren Film versteckt der Junge seinen Drachen vor seinen gemeinen Adoptiveltern, in der Neuverfilmung muss Pete um Elliot fürchten, der der Gier der Jäger zum Opfer zu fallen droht. Wieder einmal geht es um die durch Kommerzdenken bedrohte Natur, wobei der Drache eine schöne und knuffig aussehende Metapher ist. Und sicherlich – so viel Kommerz muss bei Disney schon sein – sich als Stofftier gut verkaufen lässt.

Der Anfang ist spannend und dramatisch inszeniert und hält sich nicht groß mit einer Einleitung auf. Kaum ist man Pete und seinen Eltern begegnet, passiert schon der Unfall, dann kommen die Wölfe und – in einer sehr magischen, wunderschönen Szene – der Drache. Danach tritt der Film jedoch eine ganze Weile auf der Stelle, bevor es wieder dramatisch wird.

Aber nach diesem Durchhänger in der Mitte des Films wird es im letzten Drittel wieder etwas spannend und Regisseur David Lowery zieht dann auch endlich das Tempo an, so dass einem fulminanten Showdown nichts mehr im Weg steht. Die Schauspieler agieren gut, der Drache ist herzallerliebst animiert und fügt sich besser in den Film als die Zeichentrickversion von 1977. CGI sei Dank.

Alles in allem ein solider Kinderfilm mit einem Hauch Magie, aber leider nur wenigen Überraschungen.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.