Operation Finale

Netflix produziert in letzter Zeit viele spannende Filme. So freue ich mich schon sehr auf Alfonso Cuarons neuen Film Roma, finde es aber schade, dass er nicht auf der großen Leinwand zu sehen sein wird. Zwar hat Netflix vor, ihn in den USA in ausgewählten Kinos zu zeigen, um sich damit für die Oscars zu qualifizieren, verzichtet aber auf eine breite Auswertung. Ein ärgerliches und auch kurzsichtiges Verhalten, mit dem sich der Streamingdienst in cineastischen Kreisen keine Freunde macht und langfristig wohl auch Geld verliert, zumindest bei den Projekten mit hohem Budget. Aber ich will das Thema hier nicht weiter vertiefen.

Manchmal kauft Netflix aber auch Filme, die zwar ein interessantes Thema haben und handwerklich gelungen sind, aber nicht notwendigerweise im Kino laufen müssen. Einen davon habe ich kürzlich gesehen.

Operation Finale

Anfang der Sechzigerjahre erhält die israelische Regierung den Tipp, dass sich Adolf Eichmann (Ben Kingsley), der Architekt des Holocausts, in Argentinien versteckt hält. Peter Malkin (Oscar Isaac) gehört zu der Gruppe von Agenten, die Eichmann entführen sollen, damit er in Israel vor Gericht gestellt werden kann. Es gelingt ihnen, den Mann auf dem Heimweg zu verschleppen, aber die Rückführung erweist sich als problematisch, weshalb sie gezwungen sind, noch eine Weile in ihrem Versteck auszuharren. Gleichzeitig kommen ihnen Eichmanns Sohn (Joe Alwyn) und seine Nazi-Gefolgsleute auf die Spur und versuchen mit Hilfe der argentinischen Regierung, den Kriegsverbrecher wieder zu befreien …

Es ist Fritz Bauer (diesmal: Rainer Reiners), der den Israelis den entscheidenden Tipp zur Ergreifung Eichmanns gibt, und damit habe ich diesen Teil der Geschichte innerhalb der vergangenen zwölf Monate bereits zum dritten Mal (nach Der Staat gegen Fritz Bauer und Im Labyrinth des Schweigens) gesehen. Immerhin ereignet sich diese kurze Szene schon relativ früh, so dass der Rest des Films, der von der Suche nach und der Entführung von Eichmann handelt, etwas Neues erzählt.

Natürlich weiß der historisch halbwegs bewanderte Zuschauer schon zu Beginn, wie die Geschichte ausgeht, und besonders abenteuerlich waren die Ereignisse ebenfalls nicht. Aber im Zentrum der Story steht vor allem Malkin, der wie alle anderen, an der Operation beteiligten Männer und Frauen mehrere Familienmitglieder im Holocaust verloren hat. In seinem Fall war es seine geliebte Schwester Fruma (Rita Pauls) und ihre drei Kinder, die auf der Flucht von Nazis erschossen wurden. Malkin würde Eichmann am liebsten sofort erschießen und damit Rache üben, aber seine Vorgesetzten drängen auf einen fairen Prozess – um die Verbrechen der Nazis der Weltöffentlichkeit in Erinnerung zu rufen und den Opfern eine Stimme zu geben.

Wie Malkin sich Eichmann langsam annähert, wie er versucht, ihn zu einer Unterschrift unter einem Dokument zu bewegen, in dem er sich bereitwillig der israelischen Justiz unterwirft, eine Bedingung, die die Fluggesellschaft gestellt hat, um ihn überhaupt an Bord zu lassen, ist solide erzählt. Das Drehbuch von Matthew Orton könnte in diesem psychologischen Duell zwischen zwei ungleichen Männern durchaus präziser und dramatischer sein, aber dieses Manko wird vom exquisiten Spiel der Akteure wieder wettgemacht.

Dennoch kann auch die teilweise packende Regie von Chris Weitz nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film vor allem in der Mitte etliche Längen hat. Im Grunde gibt es nur zwei spannende Szenen, die eine schildert die Entführung, die andere die Flucht vor den Nazis. Der Rest ist solide erzählt und vor allem zum Ende hin sehr bewegend, aber leider nicht besonders bemerkenswert.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.