Frankenstein Junior

Mel Brooks liebt Kakao. Zumindest könnte man den Eindruck gewinnen, da er es liebt, bestimmte Filme und ganze Genres durch selbigen zu ziehen. Und wer das jetzt etwas platt findet: Glückwunsch, so sind die meisten Witze von Mel Brooks. Dabei tue ich dem Mann natürlich ein wenig Unrecht, denn manche seiner Einfälle sind durchaus komisch, manche sogar genial, aber er benutzt das komödiantische Pendant einer Schrotflinte für seine Arbeit und setzt bei seinen Gags auf größtmögliche Streuung.

Von seinen frühen Arbeiten kannte ich bislang nur Frühling für Hitler, der später als The Producers noch einmal zu Ehren kam. Daher war ich neugierig, als Mark G. neulich vorschlug, einmal Young Frankenstein anzuschauen, der bei uns unter folgendem Titel herauskam:

Frankenstein Junior

Frederick Frankenstein (Gene Wilder) ist ein bekannter Neurochirurg, der mit der Arbeit seines berühmten Großvaters Viktor nichts zu tun haben möchte. Das ändert sich jedoch, als er das Schloss der Familie in Transsilvanien erbt und dort auf die Tagebücher seines Vorfahren stößt. Neugierig geworden, versucht er mit seiner Assistentin Inga (Teri Garr) und seinem Faktotum Igor (Marty Feldman) ebenfalls, einen Toten (Peter Boyle) wiederzubeleben. Das geht jedoch mächtig schief und ruft alsbald die alarmierte Öffentlichkeit auf den Plan …

Der Film lebt von seinen Absurditäten und ist vor allem für zwei Details berühmt: Wenn der Name des Haushälterin Frau Blücher (Cloris Leachman) fällt, wiehern immer Pferde, und der Versuch, das Monster zu kultivieren, führt zu der hinreißend komischen Tanznummer Puttin‘ on the Ritz. Auch sonst gibt es eine Menge zu lachen oder vielmehr zu schmunzeln, darüber hinaus kann man einige liebevolle Verweise auf die Horrorfilme der 1930er Jahre entdecken, von der Einrichtung des Labors bis hin zum Aussehen der Nebenfiguren.

Die meiste Zeit über fragt man sich als heutiger Zuschauer dennoch, was die Leute Mitte der Siebziger an dem Film fanden. Das Wiehern allein, obwohl noch Jahrzehnte danach immer wieder gerne zitiert und manchen Leuten vorgespielt, kann es nicht sein. Viele Gags sind etwas abgestanden und wirkten vermutlich schon damals nicht besonders frisch, und das Tempo ist auch alles andere als flott. Letzteres gilt aber für fast jeden Film, der älter als zwanzig Jahre ist.

Viel schlimmer ist jedoch, dass Wilder und Brooks, die gemeinsam das – oscarnominierte! – Drehbuch verfasst haben, so unglaublich geschludert haben bei der Ausgestaltung der Figuren, deren Motivation schneller wechselt als das Wetter in Irland, oder der Glaubwürdigkeit der Handlung. Sicher, man darf bei einer Komödie wie dieser nicht zu viel erwarten, aber man sollte zumindest verstehen, warum Dr. Frankenstein seine Abneigung gegen die Forschung seines Großvaters so urplötzlich überwindet, warum das Publikum auf die musikalische Darbietung des Monsters unvermittelt von Begeisterung in Abneigung umschlägt oder warum so sorgfältig ein Gag vorbereitet wird, auf dessen Auflösung man bis zum Ende des Films vergeblich wartet. Vieles ist schlichtweg einfach ärgerlich oder zumindest beliebig, weshalb es – bei aller Komik – schwer fällt, dem Film zu folgen.

Als Klassiker des Genres sollte man Frankenstein Junior eigentlich einmal gesehen haben, man verpasst allerdings auch nichts, wenn man es nicht tut.

Note: 4

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.