Creed II: Rockys Legacy

Politik und Sport – wir haben beides. Ging es letzte Woche um Tennis, dreht sich heute alles ums Boxen: Ziemlich genau fünf Jahre ist es her, seit Creed: Rockys Legacy das erfolgreiche Boxer-Franchise wiederbelebte. Der zweite Teil ist mittlerweile auch schon zwei Jahre alt, eine weitere Fortsetzung angekündigt, und da Adonis inzwischen Vater geworden ist, kann man wohl davon ausgehen, dass es in rund zwanzig Jahren ein weiteres Reboot geben wird.

An dieser Stelle sollte ich ehrlich sein und erwähnen, dass ich immer noch nicht Rocky oder die diversen alten Sequels, aber dafür nun endlich Creed II gesehen habe, die Fortsetzung des ersten Teils – und von Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts.

Creed II: Rockys Legacy

Adonis Johnson (Michael B. Jordan) hat es geschafft, er wird Box-Weltmeister und tritt damit endgültig in die Fußstapfen seines erfolgreichen Vaters. Auch privat läuft alles rund für den jungen Mann, denn seine Freundin Bianca (Tessa Thompson) nimmt seinen Heiratsantrag an – und ist schwanger. Doch dann erscheint ein neuer Herausforderer auf der Bühne des Boxsports: Viktor Drago (Florian Munteanu), der Sohn von Ivan (Dolph Lundgren), der seinerzeit Adonis’ Vater im Ring getötet hat …

Ein Anfang ist immer leicht zu schreiben, sei es der Anfang eines Drehbuchs oder Romans oder der Beginn eines Franchises. Der erste Creed-Film erzählte entsprechend davon, wie Adonis in die Fußstapfen seines Vaters tritt, von Rocky gefördert wird und schließlich über sich und seinen Gegner triumphiert. Eine klassische Heldengeschichte. Doch nun hat unser Protagonist sein Ziel erreicht, sein Mädel gewonnen und auch den Meistertitel errungen – was soll nun noch kommen?

Es sind also immer die zweiten Teile, die Probleme bereiten, und das haben sich Regisseur Steven Caple Jr. und seine Autoren Juel Taylor und Sylvester Stallone sicher auch gedacht, als sie mit der Arbeit am Drehbuch begonnen haben. Dabei ist die Grundidee von Sascha Penn und Cheo Hodari Coker ebenso gut wie naheliegend: Denn wer könnte besser als neuer, gefährlicher Gegner taugen als der Sohn des Mannes, der den eigenen Vater getötet hat, und damit unter Beweis stellen, dass man auch als Weltmeister weder vor Niederlagen noch vor einem frühen Tod im Ring gefeit ist.

Doch bis es zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten kommt, vergeht fast die gesamte erste Hälfte des Films, in der so einiges passiert, aber dann doch auch wieder nicht genug, um bei der Stange zu bleiben. Es ist erstaunlich, aber dem Regisseur gelingt es einfach nicht, Begeisterung für seinen Helden zu wecken oder überhaupt Emotionen zu erzeugen. Alles sieht sehr gefällig aus, ist solide inszeniert und gespielt – und wirkt so leblos wie die Alltagsbilder in einem Möbelkatalog.

Wenn aus dem Helden und seiner Situation schon nicht allzu viel herauszuholen ist, hätte man sich wenigstens stärker mit Rockys Geschichte beschäftigen können, der – wenn die Gerüchte stimmen – das letzte Mal im Boxer-Franchise zu sehen war. Immerhin haben sich die Autoren daran erinnert, dass es auch hier noch einen Sohn (Milo Ventimiglia) gibt, der Probleme mit seinem Erzeuger hat. Und auch Ivan und Drago hätten sicherlich einiges zu einem übergeordneten Vater-Sohn-Thema beitragen können. Ein Film darüber, warum Söhne ihren Vätern nacheifern wollen, zum Beispiel. Aber mehr als nur ein paar geknurrte Drohungen und viele böse Blicke sind Ivan nicht vergönnt, und der Sohn spricht so gut wie gar nicht. Da hilft es auch nicht, Brigitte Nielson als Mutter wieder auftauchen zu lassen. Gut gemeint ist eben das Gegenteil von Kunst. Und von den teilweise unterirdischen Dialogen will ich gar nicht erst anfangen …

Einigermaßen spannend erzählt sind lediglich die drei Boxkämpfe, die es im gesamten Film zu sehen gibt, von denen aber nur der finale wirklich überzeugt. Das beweist einmal mehr, wie viel eine kongeniale Inszenierung wie jene von Ryan Coogler ausmachen kann, und auch die wunderbare Kamera von Maryse Alberti wird schmerzlich vermisst.

Alles in allem ein solide erzähltes Box-Drama, als Fortsetzung von Creed jedoch eine Enttäuschung.

Note: 4+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.