The Hunt

Der Trailer zum Film versprach blutige Action und einen makaberen Plot, in dem ahnungslose Menschen Opfer einer heimtückischen Jagd werden. Eine klassische Blumhouse-Produktion mit geringem Budget und zeitkritischer Message – zumindest auf den ersten Blick …

The Hunt

Es beginnt mit einem Chat zwischen Freunden, in denen die titelgebende Jagd erwähnt wird und in dem derjenige, der dieses geheimnisvolle Ereignis preisgegeben hat, rüde an seine Verschwiegenheitspflicht erinnert wird. In einem Privatflugzeug, in dem einige Paare und Männer unterwegs sind, kommt es in der nächsten Szene zu einem Zwischenfall, als plötzlich ein benommener Mann auftaucht, von den anderen Passagieren zuerst beruhigt und dann brutal ermordet wird. Schließlich treffen wir auf eine junge Frau (Emma Roberts), die mit einem Knebel im Mund in einem Wald erwacht und feststellt, dass sie nicht die Einzige ist, die betäubt und entführt wurde. Die Gruppe findet einen Haufen Waffen – und im selben Moment beginnt bereits das Gemetzel …

So viel zu den ersten Szenen, und viel mehr sollte man auch nicht wissen. Am besten ich verrate gleich vorweg, dass der Trailer etwas irreführend ist. Man könnte meinen, die Geschichte handelt von einer Gruppe von zwölf Fremden, die entführt wurden, um als Opfer in einem perversen tödlichen Spiel von einer Gruppe von Jägern auserkoren zu werden. Die Prämisse des Films wäre dann die wahrgewordene QAnon-Erzählung von der degenerierten liberalen Elite, die heimlich die Welt beherrscht und nicht nur Kinder frisst, sondern auch unschuldige Menschen zu ihrem Zeitvertreib meuchelt. Man hätte die Story aber auch als saftige Kapitalismuskritik verkaufen können wie Eat the Rich oder American Psycho. Vielleicht nur etwas plumper. Grundsätzlich ist das gar nicht mal so verkehrt, schließlich basiert die Idee auf einer Kurzgeschichte aus dem 1920er Jahren, in der Reiche tatsächlich zum Zeitvertreib arme Schlucker jagen, und das Motiv der Menschenjagd taucht seither immer wieder in gesellschaftskritischen Filmen wie Das Millionenspiel auf.

Doch in dieser Produktion ist nichts, wie es auf den ersten Blick scheint, denn die Gejagten sind keinesfalls die Unschuldslämmer, die man in ihnen vermutet, und die Jäger haben einen Grund für ihr Tun, den man erst gegen Ende erfährt. Bis dahin hat die Geschichte bereits einige Kapriolen geschlagen und einen hohen Bodycount hinter sich. Das Meucheln geschieht meist sehr blutig, das Tempo ist angenehm flott, und mit der eigentlichen Protagonistin Crystal (Betty Gilpin) gibt es auch eine starke Hauptfigur, die knallhart austeilt und der man gerne dabei zuschaut.

Sowohl die Action als auch die Botschaft des Films können weitgehend überzeugen, doch hapert es leider an der Dramaturgie. Das beginnt schon damit, dass Crystal viel zu spät ihren ersten, coolen Auftritt hat, wenn zahlreiche andere Figuren bereits lieblos abgeräumt wurden. Die Absicht dahinter ist klar, man soll als Zuschauer genauso verunsichert sein wie die Entführten, doch die emotionale Wirkung ist leider keine positive. Des Weiteren kommt auch die Enthüllung der wahren Motive der Jäger so spät, dass sie nicht nur den Erzählfluss radikal ausbremst und den Rhythmus zerstört, sondern auch wenig glaubwürdig und sogar reichlich albern ist.

Vielleicht hätte man zumindest diese Scharte auswetzen können, hätten die Autoren Nick Cuse und Damon Lindelof sich mehr Mühe gegeben, die Psyche ihrer Figuren – auf beiden Seiten – zu ergründen. So wirkt alles ein bisschen zu grob geschnitzt und letzten Endes nur behauptet. Auch mit der zynischen, emotionslosen Crystal kann man sich nicht identifizieren, und wenn zuletzt die (natürlich prominent besetzte) Drahtzieherin der Jagd entlarvt wird, hat man als Zuschauer die Wahl, ob man sich im finalen Kampf mit der einen oder der anderen kaltblütigen Killerin identifizieren möchte. Im Grunde ist es einem allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits egal, und daran ändert auch der letzte – und diesmal sogar gelungene – Twist nichts mehr.

The Hunt ist eine grelle Farce, die sich mit unserer Internetkultur, politischer Korrektheit, Fake News und Verschwörungstheorien beschäftigt und uns als Gesellschaft den Spiegel vorhalten möchte. Das ist gar nicht mal schlecht gelungen, wenn es um die Vermittlung ihrer Botschaften geht, kann aber letzten Endes dramaturgisch nicht überzeugen.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.