Don’t worry Darling

Der Trailer war stylisch und machte neugierig auf die Hintergründe der Geschichte. Viel mehr wurde im Vorfeld allerdings über die Schauspieler und ihre Beziehungen miteinander geschrieben, über Harry Styles, von dem ich vor seinem Cameo in Eternals noch nie gehört hatte (sein Debüt in Dunkirk war mir irgendwie nicht in Erinnerung geblieben) und der eine Affäre mit der Regisseurin Olivia Wilde begann, die sich daraufhin scheiden ließ – öffentlichkeitswirksame Schlammschlacht inklusive. Auch zwischen ihr und Florence Pugh soll es zu Konflikten gekommen sein, und dann gab es natürlich noch den Rauswurf des früheren Hauptdarstellers Shia LaBeouf. Viel Klatsch, der mich eigentlich nicht interessiert, der aber jede Information über die Produktion übertönte.

Kurz vor dem Start kamen dann die ersten Kritiken heraus, die zumeist nicht sehr wohlwollend waren, und auch die Zuschauer schienen ihn nicht zu mögen. Doch wir wollten ihn sehen, und als sich dann noch im wunderschönen Chinese Theater in Hollywood die Gelegenheit dazu ergab, hieß es nur: Nichts wie los und hin!

Don’t worry Darling

Alice (Florence Pugh) und ihr Mann Jack (Harry Styles) leben in einer Retortenstadt namens Victory mitten in der Wüste. Das elegante Ambiente erinnert an die Fünfzigerjahre, und auch die Lebensumstände scheinen das goldene Zeitalter Amerikas zu imitieren: Die Männer steigen jeden Morgen in ihre bunten Oldtimer und fahren zu ihrer streng geheimen Arbeit an nicht näher definierten „fortschrittlichen Materialien“, während die treusorgenden Ehefrauen die Midcentury-Häuser putzen und shoppen gehen. Doch bald entdeckt Alice, dass mit dem Ort etwas nicht stimmt, quälende Alpträume suchen sie in der Nacht heim, und Halluzinationen verunsichern sie am Tag.

Stylisch ist tatsächlich das erste Wort, das mir bei diesem Film eingefallen ist. Schon der Trailer schwelgte in satten Farben, harmonischen Kulissen und eleganten Outfits. Man kann sagen, was man will, aber Regisseurin Olivia Wilde, die auch eine Nebenrolle als Alices beste Freundin spielt, hat ein Händchen fürs Visuelle. Auch die eingestreuten, verstörenden Träume und Visionen, teils in kühlem Schwarzweiß dargestellt, können sich sehen lassen.

Vor allem in der ersten Hälfte macht die Geschichte neugierig und saugt einen förmlich in die ausgelassene, feucht-fröhliche Fünfzigerjahrewelt, in der ein Hohelied auf den erfolgreichen Mittelstand gesungen wird. Der ist zumeist weiß, lässt aber, anders als die Realität, einige Farbige zu, darunter Shelley (Gemma Chan), die Ehefrau von Victorys Gründer Frank (Chris Pine). Die beiden sind so etwas wie die ungekrönten Häupter dieser properen Modelstadt. Frank predigt bei jeder sich bietenden Gelegenheit Kontrolle, und die beinhaltet auch die liebenden Ehefrauen, während Shelley ihn dabei unterstützt, die Damen der Gesellschaft mit Tanzstunden bei Laune zu halten.

Dass dies alles viel zu schön ist, um wahr zu sein, liegt auf der Hand, dazu braucht es nicht die verwirrte Nebenfigur, die als geisteskrank dargestellt wird, aber scheinbar Dinge weiß, die sie nicht wissen darf. Warum sie nicht offen mit Alice darüber spricht, vor allem, nachdem diese selbst einen verbotenen Blick hinter die Kulissen werfen konnte, bleibt das Geheimnis der Autoren.

Das Buch von Katie Silberman, Carey Van Dyke und Shane Van Dyke, von dem es heißt, dass es sich vor allem bei Matrix bedient, wobei es eigentlich eher Die Frauen von Stepford sind, ist die größte Schwäche des Projekts. Es ist unausgegoren, erzählt eine viel zu dünne, viel zu sehr in die Länge gezogene und weitgehend substanzlose Story, in der Alice endlos lange und ziellos im Nebel stochert und dem Zuschauer dabei nur wenige und unzureichende Hinweise präsentiert werden. Die Aussagen des Films liegen derweil offen auf der Hand, handeln von weiblicher Unterdrückung, Kritik an der Incel-Bewegung und an toxischer Männlichkeit allgemein, und das ist alles auch sehr löblich. Man hätte nur ein bisschen mehr erwarten können. Die vielen Hinweise, die geboten werden, führen größtenteils ins Leere (Was bedeuten die Erdbeben? Warum verschwindet das Nachbarskind? Was soll die geschwärzte Akte? Wozu dienen die Horrorfilmelemente?). Es scheint, die meisten Einfälle dienen nur dazu, Neugier zu entfachen, was auch gelingt, ohne sie freilich jemals zu befriedigen.

Schwierig ist leider auch das letzte Drittel, in dem der Film aus seiner hübsch anzuschauenden Lethargie erwacht und sich an einem Action-Finale versucht, das immerhin ganz okay ist. Alices Kampf gegen eine übergriffige Gesellschaft ist solide in Szene gesetzt, der plötzliche Meinungsumschwung ihrer Geschlechtsgenossinnen macht jedoch überhaupt keinen Sinn und widerspricht allem, was zuvor erzählt wurde. Das gilt insbesondere für Shelley.

Wenn man die von dem eleganten Trailer geschürten Erwartungen radikal zurücknimmt und sich vor allem am stylischen Ambiente und Florence Pughs wie immer großartiger Performance erfreut, kann man dem Film und vor allem seiner feministischen Botschaft etwas abgewinnen. Nur die Story taugt leider nichts.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.