Midway

Kürzlich hat Roland Emmerich das Ende seiner Karriere angekündigt. Noch ein großer Katastrophenfilm, der sich mit dem Klimawandel beschäftigen wird, soll in ca. zwei Jahren entstehen, dann wird es Zeit für die Rente. Emmerich wäre allerdings nicht der erste Regisseur, der seinen Ruhestand verkündet, um dann wieder von seinen Plänen Abstand zu nehmen. Und nur weil er keine Big-Budget-Filme mehr drehen will, heißt das nicht, dass er nicht weiterhin produzieren wird – oder bei einem kleineren Film vielleicht doch noch mal im Regiestuhl Platz nimmt. Wir werden sehen.

Mit Moonfall war sein letzter Biggie allerdings auch ein ziemlicher Reinfall an den Kassen. Vielleicht ist die Zeit für diese Filme inzwischen vorbei, oder die Zuschauer wollen angesichts der realen Kriege und Katastrophen einfach nicht mehr sehen, wie die Welt zerstört wird. Emmerichs vorletzter Film war jedoch anderer Natur, handelte von einer Pazifikschlacht im Zweiten Weltkrieg – und war in den USA mit knapp 60 Millionen sogar relativ erfolgreich. Nur bei uns wollte ihn keiner sehen. Ich hab ihn mir trotzdem angeschaut, denn schlechter als Moonfall konnte er ja nicht sein. Oder?

Midway – Für die Freiheit

Der Angriff der Japaner auf Pearl Harbor trifft die amerikanische Pazifikflotte unvorbereitet, obwohl Edwin T. Layton (Patrick Wilson), der Chef ihres Nachrichtendienstes, vor verdächtigen Aktivitäten der japanischen Flotte gewarnt hatte. Die USA verfügen über weniger Schiffe und eine schlechtere technische Ausstattung als der Feind, schaffen es aber dennoch, in einer von James Doolittle (Aaron Eckhart) angeführten Offensive, Tokio zu bombardieren, und kurz darauf folgt ein weitererAngriff auf die Japaner bei den Marshallinseln. Japan ändert daraufhin seine Strategie und will zum entscheidenden Schlag gegen die Pazifikflotte ausholen. Dazu wollen sie den Vorposten auf den zu Hawaii gehörenden Midwayinseln ausschalten, und Anfang Juni 1942 kommt es dort zur entscheidenden Schlacht.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich von der Schlacht bei den Midwayinseln noch nie gehört, oder falls sie tatsächlich im Geschichtsunterricht, der sich zwar ausgiebig mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs beschäftigt hat, allerdings vornehmlich mit der Situation in Europa, thematisiert wurde, habe ich es wieder vergessen. Dabei gehört die Schlacht zu den großen Wendepunkten im Zweiten Weltkrieg.

Angesichts der Tatsache, dass es sehr viele Filme und noch mehr Dokumentationen über die Nazizeit und den Krieg gibt und diese spezielle Schlacht in Europa eher unbekannt ist, wundert es nicht, dass dem Film kein großer Erfolg beschieden war. Es ist ein schwer zu verkaufendes Thema.

Eine tolle Besetzung kann natürlich viel wettmachen, und der Film ist tatsächlich prominent besetzt: Neben den bereits erwähnten Schauspielern sind noch Ed Skrein und Luke Evans in zwei weiteren Hauptrollen zu sehen, und mit Dennis Quaid, Woody Harrelson, Nick Jonas und Mandy Moore gibt es noch weitere bekannte Gesichter zu entdecken. Freilich, ein ganz großer Name fehlt jedoch.

Darüber hinaus sind Kriegsfilme momentan nicht heiß begehrt beim Publikum. Das Genre ist ein wenig aus der Mode geraten, was die Produzenten natürlich nicht davon abhält, in regelmäßigen Abständen weitere Filme über den Zweiten Weltkrieg auf den Markt zu werfen, vorzugsweise über den grummeligen Winston Churchill. Wenn die Zuschauer aber schon keine Filme über den Krieg in Europa mehr sehen wollen, warum sollten sie sich dann einen über eine Schlacht im Pazifik anschauen, von der die meisten vermutlich noch nie gehört haben?

Ein letzter Punkt: Das Drehbuch von Wes Tooke macht es einem nicht gerade leicht, einen Zugang zum Stoff zu finden. Die Materie ist sehr komplex, die Story beginnt bereits 1937 mit Layton in Japan, orientiert sich lange an ihm, verliert die Figur aber später komplett aus den Augen. Dafür rücken mehrere Marine-Flieger in den Fokus, die sehr gut Pate für Top Gun gestanden haben könnten. Midway – Für die Freiheit (der Versuch, mit einem nichtssagenden deutschen Untertitel Aufmerksamkeit zu erhaschen, ist rührend unbeholfen) ist ein Ensemblefilm, noch dazu ein stark männerlastiger, was die Vermarktung ebenfalls nicht einfacher gemacht haben dürfte. Und noch schlimmer: Es fällt einem schwer, die einzelnen Soldaten voneinander zu unterscheiden, sehen sie in Uniform doch alle gleich aus.

Tooke und Emmerich geben sich viel Mühe, einen stringenten Weg vom Überfall auf Pearl Harbor zur Schlacht um Midway aufzuzeigen, sie legen die japanischen Strategien da, lassen die Admiräle zu Wort kommen und betonen den Wert der Spionage bzw. Aufklärung, dennoch wirken alle Beteiligten, als würden sie von den Ereignisse hin- und hergeworfen. Es werden viele Schlaglichter auf verschiedene Episoden geworfen, aber der Zusammenhang fehlt. Man weiß nicht so recht, was Emmerich eigentlich erzählen will, außer dass er einen historischen Wendepunkt und die Tapferkeit der daran Beteiligten hervorheben möchte. Manchmal sogar mit etwas zu viel Pathos (ich weiß, bei Emmerich eigentlich genauso undenkbar wie übertriebener Patriotismus).

Für den Film spricht jedoch die Ausgewogenheit in der Darstellung. Die Japaner werden hier meist nicht als finstere Aggressoren geschildert, sondern einfach als feindliche Macht, die ihre eigenen Interessen verfolgt. Gut, es gibt eine Szene, in der ein von Nick Jonas gespielter, gefangen genommener Matrose brutal ermordet wird, weil er nicht die Stärke der US-Flotte verraten will, aber ansonsten ist die Darstellung der Japaner weitgehend fair und ausgewogen.

Auch die Schlachten sind exzellent fotografiert und inszeniert. Es gibt von Pearl Harbor bis zum entscheidenden finalen Kampf etliche erbitterte Gefechte zu Lande und auf dem Wasser, die packend in Szene gesetzt sind. Langeweile kommt bei dem Film also nicht auf.

Vermutlich ist das das Beste, was man über ihn sagen kann: Er langweilt nicht, ist solide inszeniert und besitzt gute Schauspieler, denen man gerne zusieht. Kein großer Wurf, aber wer sich für diesen hierzulande eher wenig bekannten Wendepunkt im Pazifikkrieg interessiert, kommt auf seine Kosten.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.