Operation Fortune

Mit einigen wenigen Ausnahmen in seinem Repertoire hat Guy Ritchie seinen Shtick gefunden: Raue Kerle mit coolen Sprüchen auf den Lippen bringen sich bei kriminellen Aktivitäten in Schwierigkeiten. Das Ganze wird rasant inszeniert und geschnitten und strotzt meist vor bekannten Namen. Man kann auch sagen, der Mann hat seine Marke kreiert, und sein Publikum goutiert es mit der unverbrüchlichen Treue der Fans. Für allen anderen lautet daher die Frage nicht, was er diesmal in seinem neuen Film zu erzählen hat, sondern wie abwechslungsreich er es tut.

Operation Fortune

Nachdem eine Bande Krimineller in Osteuropa ein Objekt gestohlen hat, von dem der britische Geheimdienst zwar nicht weiß, was es ist, aber annimmt, dass es eine enorme Bedrohung für den Weltfrieden darstellt, wird Nathan Jasmine (Gary Elwes) beauftragt, es unter allen Umständen zu beschaffen. Er rekrutiert dafür den freischaffenden Agenten Orson Fortune (Jason Statham), doch noch eine weitere Gruppe ist hinter dem „The Handle“ genannten Objekt her, das der Waffendealer Greg Simmonds (Hugh Grant) an den Meistbietenden zu verkaufen versucht.

Der Anfang ist so temporeich geschnitten und montiert den Überfall auf das Labor, aus dem „The Handle“ gestohlen wird, sowie die Vorstellung der Hauptfiguren so effektiv, dass so mancher Regisseur neidisch werden könnte. Und schon kurz nach der Einführung unserer Helden, die sich natürlich wortreich beharken und necken, folgt eine weitere Actionsequenz. Auf diese Weise legt Ritchie ein ordentliches Tempo vor und unterhält sein Publikum auf vorzügliche Weise.

Nur leider hat der Film noch weitere ca. neunzig Minuten zu füllen, und auf dieser Strecke geht ihm schon bald die Puste aus. Während sich der Zuschauer noch fragt, welchen Zweck der Überfall auf den Kurier in Madrid hatte, wenn man ohnehin weiß, wer „The Handle“ verkaufen will, und die dabei erbeuteten Daten keine Rolle mehr spielen (die weltbeste Hackerin (Aubrey Plaza), die sonst in alle noch so gut gesicherten Netze einbrechen kann, scheitert wohl an der Verschlüsselung), versuchen die Helden, sich Greg Simmonds zu nähern.

Die Idee, dafür dessen Lieblings-Hollywoodstar (sehr schön gespielt von Josh Hartnett) einzusetzen, wäre großartig, hätte es nicht erst vor wenigen Monaten Massive Talent gegeben, der eine ähnliche Geschichte erzählte. Immerhin kann Guy Ritchie hier seine Geheimwaffe einsetzen, die den gesamten Film vor dem kompletten Untergang bewahrt: Hugh Grant erweist sich abermals als gewiefter Scene Stealer, der die Schauspielkunst seiner Kollegen alt aussehen lässt. Außer Jason Statham natürlich, der noch nie über so etwas wie Schauspielkunst, aber dafür über natürliche Leinwandpräsenz verfügt hat, was das zweitbeste danach ist.

Der Rest ist – Langeweile. Weder die Art, wie Josh Hartnetts Figur zur Mitarbeit erpresst wird, noch die Winkelzüge, die notwendig sind, um ihn bei Simmonds zu platzieren, strotzen vor Einfallsreichtum oder Witz. Die Handlung schleppt sich mühsam dahin, nur hin und wieder unterbrochen von der einen oder anderen – immerhin kurzweilig – inszenierten Actionszene. Aber selbst diese wirken so routiniert, als wäre Guy Ritchie mit den Gedanken woanders gewesen.

Im letzten Drittel bricht das Handlungsgerüst dann vollends in sich zusammen. Vieles ergibt, wenn man genauer darüber nachdenkt, keinen Sinn, und das Tragische sind nicht einmal die Plotlöcher, sondern die Tatsache, dass man zu viel Zeit hat, über sie nachzudenken. Das Finale ist schwach, die Witze schal und in der Übersetzung teilweise so peinlich wie die Synchronisation eines Siebzigerjahre-Actionfilms. Der gesamte Film wirkt, als wäre er lustlos zusammengeschustert worden. Ein Beispiel: „The Handle“ wurde vom britischen Geheimdienst so getauft, weil niemand weiß, worum es sich handelt, aber selbst die Räuber und Simmonds nennen es später so. Das ist einfach schlampige Drehbucharbeit. Und die letzte Szene in Doha hat Ritchie vermutlich nur reingeschrieben, weil er sich dort ein paar nette Tage machen wollte.

Einer von Guy Ritchies schlechtesten Filmen, und dabei habe ich Swept Away nicht einmal gesehen. Das einzige Argument, sich Operation Fortune anzuschauen, ist Hugh Grant.

Note: 4

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.