Guardians of the Galaxy Vol. 3

Marvel hatte mit seinen jüngsten Filmen kein glückliches Händchen, und auch auf die Gefahr hin, wie eine kaputte Schallplatte zu klingen, frage ich mich immer noch, wohin die Reise in der neuen Saga eigentlich gehen soll. Mit Kang wurde immerhin, wie weiland mit Thanos, ein neuer Gegenspieler angedeutet, aber das war dann auch schon alles. Vielleicht würde ich dieser Entwicklung auch mit mehr Geduld entgegensehen, wären die bisherigen Filme nicht so enttäuschend gewesen.

Nicht wenige Fans scheinen sich dasselbe zu fragen, denn die Einspielergebnisse vieler Filme aus Phase 4 blieben etwas unter den Erwartungen. Auch habe ich den Eindruck, dass die neuen Superhelden nicht so akzeptiert werden wie jene aus der ersten Generation. Natürlich kann man noch nicht von einer Superheldenmüdigkeit sprechen, aber für Marvel wird es Zeit, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Und wer weiß, vielleicht gelingt das ja demnächst mit The Marvels? Der erste Trailer sah zumindest vielversprechend aus.

Doch zunächst heißt es erneut, Abschied zu nehmen von geliebten Superhelden, die ihr drittes und letztes Solo-Abenteuer erleben. In den letzten Wochen und Monaten kochte die Gerüchteküche hoch, und es hieß, nicht alle Helden würden den Film überleben, so dass dieser Abschied womöglich tatsächlich einer für immer sein würde. Nachdem der letzte Guardians-Film ebenfalls eher enttäuschend war, habe ich mir den neuen Teil mit gemischten Gefühlen angesehen.

Guardians of the Galaxy Vol. 3

Die Guardians sind noch dabei, ihr neues Hauptquartier im Knowhere einzurichten, als sie von einem golden schimmernden Wesen angegriffen werden: Adam Warlock (Will Poulter) will Rocket entführen und verletzt ihn dabei schwer, bevor er mit vereinten Kräften zurückgeschlagen werden kann. Aufgrund der Modifikationen von Rocket ist es nicht aber möglich, ihn zu heilen, ohne dabei den Code seines Schöpfers High Evolutionary (Chukwudi Iwuji) zu überschreiben. Den müssen sie jedoch erst einmal aus der Firma, in der er verwahrt wird, stehlen.

Das Pfund, womit diese Marvel-Trilogie wuchern kann, sind die wunderbaren schrägen Figuren: Starlord (Chris Pratt), Drax (Dave Bautista), Gamora (Zoe Saldana), Mantis (Pom Klementieff), Nebula (Karen Gillan) und natürlich Groot sind den Zuschauern schon lange ans Herz gewachsen, und es ist ein stetes Vergnügen, diese zusammengewürfelte Wahlfamilie, die inzwischen noch um den sowjetischen Hund Cosmo und Kraglin (Sean Gunn) erweitert wurde, sich liebevoll necken und piesacken zu sehen. Das funktioniert auch in diesem Teil wieder hervorragend, besser noch als in Vol. 2, und macht damit schon mal die halbe Miete.

Die eigentliche Geschichte steht und fällt mit einem guten Bösewicht. High Evolutionary ist es leider nicht, sondern ein operettenhafter Superschurke wie aus einem miesen Bond-Film, ein mad scientist mit Gottkomplex, der eine perfekte Welt mit perfekten Lebewesen erschaffen möchte, aber selbst nach Jahrhunderten sadistischer Experimente bestenfalls Mittelmaß vorweisen kann. Sein gelungenstes Experiment ist ausgerechnet Rocket, weshalb er alles daran setzt, ihn wieder in seine Gewalt zu bekommen. High Evolutionary ist eine durch und durch papierene Figur, und Chukwudi Iwuji schafft es leider nicht, sie mit Leben zu füllen oder ihre Motive glaubhaft zu vermitteln. Es scheint, als hätte sich der Autor James Gunn einfach zu wenige Gedanken über diesen Teil der Geschichte gemacht.

Während seine Freunde versuchen, ihn zu heilen, durchlebt der komatöse Rocket erneut seine Erinnerungen: seine schmerzhafte Erschaffung im Labor, die Furcht vor dem neuen, unbekannten Leben und die unerwartete Freude, gleichgesinnte Freunde zu finden, eine Familie. Das alles wird solide erzählt und ist in den besten Momenten sogar berührend, bleibt aber ebenfalls unter den Möglichkeiten. Das Erwachen des Bewusstseins, die Entdeckung seiner außergewöhnlichen Intelligenz, die sogar die seine Schöpfers in den Schatten zu stellen scheint – all das wird unzureichend, sogar schluderig erzählt. Gunn konzentriert sich auf das Elend der Gefangenschaft, das bisweilen an Dickens erinnert, und beschwört die Macht der Freundschaft, reduziert Rocket dabei aber auf einen fühlenden Waschbären, dessen intellektuelle Leistungen im quasi im Schlaf zuwachsen. Oder beim Knuddeln. Auch die Entstehung seines zynischen Charakters, der dennoch über einen weichen Kern verfügt, wird in einer Hau-Ruck-Methode erzählt, die nur an der Oberfläche kratzt. Hier wird leider sehr viel Potential verschenkt.

Die Abenteuer seiner Freunde sind hingegen typisch für die Guardians: überdreht, knallbunt und witzig. Ob sie nun wie Teletubbis verkleidet in das Hauptquartier einbrechen, sich einen Kampf mit den Sicherheitskräften in ihren dämlichen Fleischanzügen liefern oder die perfekte Welt des High Evolutionary auf den Kopf stellen, sie haben dabei stets einen flotten Spruch auf den Lippen. Auch wenn die Gesamtgeschichte schwach und einfallslos ist, immerhin wird sie erneut mit demselben anarchischen Sinn für Humor erzählt, der schon den ersten Teil groß gemacht hat.

Immerhin in den Nebensträngen kann der Film weitgehend überzeugen: Peter leidet noch immer unter dem Verlust von Gamora und erhält nun die Chance, ein weiteres Mal mit ihr oder vielmehr der Gamora aus einer Parallelwelt zusammenzuarbeiten. Die Art, wie Peter mit seiner Trauer umgeht, die durch die Tatsache, dass er eine andere, fremde Version seiner Gamora vor Augen hat, noch verstärkt wird, und wie er sie letzten Endes überwindet, ist schön erzählt. Und sogar Kraglin und Cosmo bekommen eine kleine Story. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass Nebula, Drax und Mantis nur noch reine Nebenfiguren sind, mit einigen schönen Szenen, aber keinem eigenen Nebenplot.

Am Ende kommt dann tatsächlich Wehmut auf, weil man weiß, dass es keine weiteren gemeinsamen Abenteuer mehr geben wird. Autor und Regisseur James Gunn ist inzwischen zu DC gewechselt, und auch wenn einzelne Guardians vielleicht noch mal in einem Cameo auftauchen werden, ist ein Gruppenabenteuer wohl eher unwahrscheinlich. Man sollte daher dankbar sein, dass der Abschluss der Trilogie weitgehend gelungen ist, mit schwachen Gegenspielern und mehr Pathos als Ironie, aber wenigstens mit dem Herz auf dem rechten Fleck.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.