Air: Der große Wurf

Die Qualität des Marketings kann über die Zukunft eines ganzen Unternehmens entscheiden. Natürlich braucht man zuerst ein gutes Produkt, um auf dem Markt bestehen zu können, aber der Kunde muss auch davon überzeugt werden, dass es tatsächlich gut ist und er es vor allem mehr braucht als die Ware der Konkurrenz. Manchmal helfen kleine Kaufanreize, Rabatte oder Geschenke beispielsweise. Und manchmal kann sich dadurch die Geschichte einer Firma komplett verändern.

So hatte ein amerikanisches Unternehmen, das Backpulver herstellte, eines Tages beschlossen, jedem Päckchen zwei Streifen Kaugummi beizulegen. Das kam so gut an, dass die Firma Wrighley schließlich die Backpulverproduktion aufgab und nur noch Kaugummis produzierte. Seit diesem Jahr sind auch diese nun Geschichte.

Als der Trailer zu Air: Der große Wurf erschien, hatte ich kein Verlangen, den Film zu sehen. Die Geschichte eines Marketingcoups? Und dann noch über einen Basketballstar, von dem ich zwar schon mal gehört habe (wer hätte das nicht?), der mich aber kein bisschen interessiert. Weder der Sport noch Michael Jordan. Aber die Kritiken waren gut, und so habe ich mich einigen Leuten angeschlossen und bin ins Kino gegangen.

Air: Der große Wurf

1984 ist Sonny Vaccaro (Matt Damon) der Markenchef von Nike, das zwar mit Sportbekleidung eine Menge Geld verdient, aber bei den Basketballschuhen hinter den Konkurrenten Converse und Adidas zurückliegt. Inzwischen gibt es schon Überlegungen, die Sparte zu schließen, und der CEO Phil Knight (Ben Affleck) ist nicht bereit, den Etat weiter aufzustocken. Sonny, der ein Gespür für kommende Talente hat, will alles auf einen aufregenden Newcomer setzen, der gerade zum Sportstar aufsteigt: Michael Jordan. Doch der will lieber zu Adidas. Also muss Sonny alles daransetzen, um ihn und seine Mutter (Viola Davis) zu überzeugen.

Um eines gleich klarzustellen: Der Film ist unterhaltsamer als die Inhaltsangabe es vermuten lässt. Das liegt vor allem daran, dass Cheerie Movies so gut funktionieren und Affleck und Damon es als Drehbuchautoren schaffen, einen millionenschweren Sportartikelkonzern als Underdog darzustellen. Statt auf böse oder übermächtige Konkurrenten zu setzen, die den Helden das Leben schwer machen, ziehen die Autoren sie lieber neckisch durch den Kakao und konzentrieren sich vor allem auf die Interna des Unternehmens. Nike ist sich nämlich selbst der größte Feind, mit schlechteren Schuhen, einem knauserigen Budget und wenig kompetenten Mitarbeitern.

Aber es gibt einige versierte, kampfbereite Helden, die alles daransetzen, der Firma zum Erfolg zu verhelfen. Neben Vaccaro, der den richtigen Riecher hat und sogar seine eigene Karriere aufs Spiel setzt, um seine Ideen zu verwirklichen, gibt es noch Rob Strasser (Jason Bateman), Howard White (Chris Tucker) und den Designer Peter Moore (Matthew Maher), der – typisches Hollywoodklischee – in nur einer Nacht ein neues, bahnbrechendes Design raushaut.

Der Rest ist, wie die Amerikaner sagen, inside baseball. Es geht um Geschäftsgepflogenheiten, Vertragsregeln und -besonderheiten, also um knifflige Detailfragen, von denen der Durchschnittszuschauer absolut keine Ahnung hat. Man muss den Machern schon glauben, dass dieser Deal den Markt und das Sportartikelgeschäft revolutioniert hat, und gegen Ende wird das auch gut erklärt. Aber mal ehrlich: Wen interessiert das schon?

Dass der Film dennoch unterhaltsam ist, liegt an den hervorragenden schauspielerischen Leistungen und einem vergnüglichem Skript. Ben Affleck nimmt sich in seiner Rolle als CEO nicht allzu ernst, Viola Davis schaltet dagegen den vollen Dramamodus ein. Beides funktioniert gut.

Hollywood erzählt gerne von heldenhaften Leistungen, von großen Kämpfern, Reformern oder Revoluzzern, aber auch von Sportlegenden wie Michael Jordan. Doch der wird im Film nicht einmal richtig gezeigt, er ist zwar anwesend, sein Gesicht taucht aber nie vor der Kamera auf. Ein guter Trick, um die Illusion aufrecht zu halten. Und die eigentlichen Stars sind ohnehin die Marketingleute, denen es gelungen ist, einen Coup zu landen, indem sie ein paar Regeln brechen und sich bereit erklären, ihre Gewinne mit dem Sportler zu teilen. Wirkliche Begeisterung kommt dabei zwar nicht auf, aber man wird immerhin gut unterhalten. Und darf sich demnächst wohl auf ein Bio Pic über Lee Iacocca freuen.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.