Ein ehernes Gesetz in Hollywood lautet: Erfolg verpflichtet zur Fortsetzung. So überrascht es nicht, dass bereits 2001 über ein Sequel zu Gladiator nachgedacht wurde, schließlich hatte der Film nicht nur eine Menge Geld eingespielt, sondern auch den Oscar als Bester Film eingeheimst. Dumm war nur, dass der Tod des Helden am Ende von Gladiator eine direkte Fortsetzung eher schwierig gemacht und ein Prequel ebenfalls wenig Sinn ergeben hätte. Nach langem Hin und Her und der bescheuerten Idee eines Fantasy-Reinkarnations-Wirrwarrs namens Christ Killer kam schlussendlich der Plot zu Gladiator II. heraus.
Der kleine Lucius, der in Gladiator versehentlich die Putschpläne seiner Mutter Lucilla verraten hat, spielt nun die Hauptrolle und wird zum unehelichen Sohn von Maximus, um die Kontinuität zu wahren. Was mich aber schon beim Trailer gestört hat, war die Tatsache, dass die Liebe von Maximus zu seiner ermordeten Familie der emotionale Fixpunkt in Gladiator und der Grund für seine Rache war, und diese nun geschmälert wird. Aber wenn wir durch die späten Fortsetzungen von Star Wars und anderen berühmten Franchises eines gelernt haben, dann dass es den gegenwärtigen Autoren Hollywoods vollkommen schnurz ist, ob ihre Story zum Kanon passt oder nicht. Sehr zum Verdruss vieler Fans.
Der langen Rede kurzer Sinn: Ich hatte keine Lust, mir Gladiator II. anzuschauen. Bis wir auf einer Tradeshow die ersten Minuten mit der Eroberung einer Stadt gesehen haben und ich wieder große Lust auf ein Sandalen-Epos bekam. So schlimm, dachte ich mir, kann es ja nicht werden. Oder?

Gladiator II.
Acacius (Pedro Pascal) führt den römischen Angriff auf die letzte freie Stadt Numidias an, die er schließlich erobert. Unter den Verteidigern ist auch der junge Hanno (Paul Mescal), dessen Frau Arishat (Yuval Gonen) bei dem Kampf ums Leben kommt und der in Gefangenschaft gerät. Als Sklave wird er an Macrinus (Denzel Washington) verkauft, der Gladiatoren an das Kolosseum vermittelt. Dort hofft Hanno, der eigentlich Lucius Verus heißt und der Sohn der Kaisertochter Lucilla (Connie Nielson) ist, eines Tages Rache an Acacius nehmen zu können, nicht wissend, dass dieser sein Stiefvater ist.
Inzest, Gatten-, Vater- und Brudermord, die römischen Kaiserfamilien wussten, wie man sich amüsiert. Im Kern ist Gladiator II. wie sein Vorgänger ein Familiendrama, das sich um Macht und Rache dreht. Im ersten Teil wollte ein geächteter römischer General den Tod seiner Familie rächen, indem er den Kaiser ermordet und sich nebenbei auf eine Verschwörung gegen ihn einlässt, an der sowohl die Schwester des Kaisers, Lucilla, als auch der Senator Gracchus (Derek Jacobi) beteiligt waren. Die letzten beiden haben überlebt und spielen nun auch in der Fortsetzung eine Rolle, wenn auch in Jacobis Fall eine extrem kleine, was ziemlich schade ist.
Achtete man im ersten Teil noch halbwegs auf historische Korrektheit, freilich ohne sie auch nur ansatzweise zu erreichen, sinkt die Story von David Scarpa nun auf das Niveau einer Seifenoper. Auch wenn viele Ereignisse wie etwa Lucillas Rebellion in der römischen Historie verbürgt sind (in der einen oder anderen Form), ist Hannos/Lucius‘ Geschichte schon ziemlich seicht und an den Haaren herbeigezogen. Man hätte sicherlich auch eine brauchbare Fortsetzung schreiben können, ohne die Story des ersten Teils zu kopieren oder sich so viele und noch dazu eklatante Freiheiten herauszunehmen.
Wenn man sich jedoch für eine so abenteuerliche Geschichte entscheidet, braucht man ein starkes Drehbuch, das eine kohärente, in sich logische Story mit nachvollziehbaren Motiven und charakterlichen Wandlungen erzählt. Doch Sarpa scheitert auf ganzer Linie, er weckt zwar Interesse durch die Rachemission, die sich jedoch viel zu schnell in Luft auflöst und am Ende mit den politischen Kabalen des Kaiserhofes verschmilzt. Hanno/Lucius weiß nicht mehr so recht, was er will, wird plötzlich zum Anführer der Gladiatoren, ohne dass dies geschildert worden wäre, und dann zum Hoffnungsträger der längst vergangenen römischen Republik. Das ist eine erstaunliche Wandlung, die nicht nachvollziehbar ist. Paul Mescal, der ein Meister der leisen Töne ist, kann diese Schwächen leider nicht ausgleichen und wirkt vor allem in den Momenten, in denen er inspirierend sein soll, seltsam blass und leidenschaftslos. Ihm fehlt einfach die Wucht eines Russel Crowes.
Schon im ersten Teil war das Geschwafel von der Herstellung einer gerechten Republik kompletter Nonsens, der allenfalls dem amerikanischen Sendungsbewusstsein geschuldet ist. Hollywood inszeniert sich ja gerne als Speerspitze von Freiheit und Demokratie, was angesichts der politischen Situation in den USA inzwischen jedoch zur Lachnummer verkommen ist. Wie gesagt, historisch macht es auch keinen Sinn, wollte Marc Aurel nie das Kaisertum abschaffen. Dass dieser Gedanke nun einfach wieder aufgegriffen und recycelt wird, macht nun noch viel weniger Sinn als im ersten Teil, weil er einfach nur nachgeplappert wird.
In der Summe bedeutet das, dass sich das Augenmerk auf Macrinus verlagert, der zwar nach einer historischen Figur benannt ist, mit dieser aber nichts gemein hat. Denzel Washington verkörpert diesen gesellschaftliche Aufsteiger mit Charme und Gerissenheit, und das Drehbuch macht ihn zu einem cleveren Strategen, der am Ende an seinem Machthunger zugrunde geht. Das ist nicht schlecht erzählt, trotz einiger Schwächen. Nur ist Macrinus leider kein so guter Bösewicht wie Commodus es im ersten Teil war, und auch das Finale fällt stark gegenüber dem alten Film, vor allem aber gegenüber dem Rest der Action ab.
Tatsächlich erreicht der Film seinen Höhepunkt bereits in der ersten Sequenz, der Eroberung von Numidia, was, historisch betrachtet, auch kein Stadt, sondern ein Reich und zu dem Zeitpunkt bereits seit dreihundert Jahren römisch war. Auch der Anführer Jugurtha (Peter Mensah) gehört in diese längst vergangene Epoche, aber darüber ärgern sich vermutlich nur Menschen, die im Geschichtsunterricht aufgepasst haben und Cesar nicht für eine Hundefuttermarke halten. Sehenswert sind vor allem die Kämpfe in der Arena, auch wenn das Auftauchen von Haien bei einer Seeschlacht peinlich und lachhaft ist. Regisseur Ridley Scott liefert jedenfalls eine solide Inszenierung ab, seine beste seit langem, und das ist vielleicht das Traurigste an der ganzen Geschichte.
Gladiator II. ist kein guter Film, das Drehbuch ist schlecht geschrieben, und die historischen Schlampigkeiten fallen nicht nur Experten, sondern auch halbwegs geschichtsinteressierten Laien auf. Auch im ersten Teil gab es diese Unstimmigkeiten, die aber nicht so stark ins Gewicht fielen, weil eine starke, emotionale Story erzählt wurde. Ohne diese bleiben nur die Schauwerte, die immerhin beachtlich sind. Scott weiß, wie man großes Kino inszeniert, und die prachtvollen Bilder und spannenden Kämpfe trösten erstaunlich gut darüber hinweg, dass das Dargestellte ein ziemlicher Krampf ist.
Note: 3-
Dies war erstmal der letzte Film aus 2024, für den noch ein Beitrag ausstand (ein paar weitere Titel folgen später). Nächste Woche sind wir wie in jedem Jahr auf der Münchner Filmwoche, von der wir hoffentlich zeitnah berichten können, und dann folgt voraussichtlich mein Jahresrückblick.