Heute geht es um John Williams, genauer gesagt, es geht um John Edward Williams, der ? anders als sein Namensvetter ? nichts mit Musik am Hut hat und zudem> bereits seit gut dreißig Jahren tot ist. Sein Leben ist eine eher traurige Geschichte: Aufgewachsen in Armut, im Zweiten Weltkrieg traumatisiert, landete er eher durch Zufall bei der Literatur. Sein erstes Buch war ihm im Nachhinein so peinlich, dass er dessen Existenz verleugnete, und erst mit seinem> vierten und letzten Roman, Augustus, erzielte er 1973 einen bescheidenen Erfolg und erhielt dafür den National Book Award ? den er sich jedoch mit einem> Konkurrenten teilen musste.
Finanziell erfolgreich war kein einziges Buch (zu den Romanen kamen noch zwei Gedichtbände hinzu), und Williams, der sein Geld als Literaturprofessor verdiente, starb als verbitterter Alkoholiker. Erst fast zwei Jahrzehnte nach seinem> Tod wurde sein Werk wiederentdeckt und er als großer Erzähler des 20. Jahrhunderts gefeiert. Im Laufe der letzten Jahre habe ich drei seiner vier Romane gelesen und fand davon Stoner ? die stark autobiografisch geprägte Geschichte über einen Literaturprofessor ? am besten, Butcher?s Crossing jedoch am eindringlichsten.
Als ich kürzlich sah, dass die Adaption bei Prime Video erschienen ist, wollte ich ihn unbedingt sehen ? trotz eines ziem>lich schlechten imdB-Wertes. Außerdem> spielt Nicolas Cage eine der Hauptrollen, der in den letzten Jahren ein interessantes Comeback hingelegt hat. Er ist zwar nicht wieder dort angelangt, wo er auf dem> Höhepunkt seiner Karriere war, aber man redet wieder über seine Schauspielkunst und nicht mehr über seine Skandale. Grund genug, diese Woche zwei seiner jüngeren Filme vorzustellen.
Butcher?s Crossing
1874 reist der junge, idealistische Will Andrews (Fred Hechinger) nach Butcher?s Crossing, um dort nach dem> wahren Westen zu suchen. Sein Ziel ist es, an einer Jagdexpedition teilzunehmen, und als er dem> ehrgeizigen Jäger Miller (Nicolas Cage) begegnet, macht dieser ihm ein verlockendes Angebot: Wenn Will seine Jagd finanziert, führt er ihn in ein entlegenes Tal, in dem> versteckt eine der letzten riesigen Büffelherden der USA lebt. Zusammen mit dem> großmäuligen Fred Schneider (Jerem>y Bobb) und dem> bibelfesten Charlie Hoge (Xander Berkeley) brechen sie in die Berge auf.
Der Roman ist eine bildgewaltige Parabel über menschliche Gier und Zerstörungswut, die sich gegen die Welt richtet, der am Ende aber immer die Menschen selbst zum Opfer fallen. Ein zivilisationskritischer Abgesang auf unsere Gesellschaft und Moral, so düster und deprimierend wie die Bücher von Cormac McCarthy, aber über weite Strecken überaus fesselnd und anschaulich geschrieben. Insbesondere die Landschaftsbeschreibungen zeugen von der tiefen Liebe des Autors zum Land und seiner fast schmerzhaften Schönheit.
Das Mindeste, das man also von einer Kinoadaption erwarten sollte, ist eine atem>beraubend schöne Landschaft. Tatsächlich fängt Kameramann David Gallego die entlegenen Täler Montanas, in denen der Film entstand, auf pittoreske Weise ein, doch seine Bilder hauen einen auch nicht gerade um. Das gilt auch für die Büffelherde, die zwar imposant ist, die man sich aber weitaus größer und gewaltiger vorgestellt hat.
Natürlich ist es immer schwierig, den Vorstellungen der Leser gerecht zu werden, vor allem>, wenn eine literarische Vorlage einen tiefen Eindruck hinterlassen hat, aber alles in allem> ist die Umsetzung durchaus gelungen. Das wahre Problem> liegt nämlich woanders: Schon der Roman ist sehr vorhersehbar. Man weiß bereits sobald der junge Will in Butcher?s Crossing ankommt, dass seine Reise nicht gut enden kann, dass er sämtliche Illusionen und Ideale verlieren wird, wenn nicht sogar noch mehr. Immerhin handelt die Story von einer Gruppe von Männern, die auszieht, um zu töten.
Regisseur Gabe Polsky, der zusammen mit Liam Satre-Meloy auch das Drehbuch schrieb, hält sich zunächst streng an die Stationen des Romans und schildert von den Strapazen auf dem> Weg in die Berge, dem> Wassermangel und der Unbarmherzigkeit der Natur. Will, der an der Ostküste aufgewachsen ist und dessen Sehnsucht nach dem> unberührten Westen durch sein Literaturstudium in Harvard erwacht ist, verliebt sich zwar anfänglich in das Land, muss aber auch lernen, dass einem> hier nichts geschenkt wird.
Fred Hechinger gelingt es perfekt, Wills Staunen über die Wunder dieser Welt einzufangen. Auch in der Begegnung mit Francine (Rachel Keller), einer Salonschönheit und Gelegenheitsprostituierten, wird Will von seinen Gefühlen so sehr übermannt, dass er die Flucht ergreifen muss. Francine wird für Will fortan zum Bild alles Schönen in der Welt, und dass Schneider sie mit seinen schmutzigen Reden permanent in den Dreck zieht, nagt an dem> jungen Mann.
Auch Hoges Religiosität, die düstere, alttestamentarische Züge besitzt, verstört den sensiblen Sohn eines Pfarrers. Jedem> ist klar, dass diese Reise in das Herz der Finsternis Wills Seele zerstören und ihn für immer verändern wird. Es gibt also einige Konflikte, vor allem> dank Schneider, der ein gefährlicher und ungem>ütlicher Zeitgenosse ist. Nur macht Polsky nicht viel daraus. Statt das Drama der vier unterschiedlichen Männer voranzutreiben, klammert er sich an die Rahmenhandlung des Romans.
Interessanterweise kann auch Nicolas Cage, der oft zum übertreiben neigt und eine Vorliebe für durchgeknallte Figuren hat, nicht so recht überzeugen. Dabei ist Miller ein Wahnsinniger, ein von brennendem> Ehrgeiz getriebener Jäger, der allen beweisen will, dass er der Beste ist. Am Ende wird ihm seine Hybris zum Verhängnis: Er schießt so viele Büffel, dass sie sie kaum alle häuten können, und weigert sich, das Tal zu verlassen, bevor er nicht jedes einzelne der vielen tausend Tiere getötet hat. Die Gier des Menschen ist eben unersättlich.
Gegen Ende weicht Polsky dann stark von der Vorlage ab, schafft es aber nicht, das zu seinem> Vorteil zu nutzen. Schon der überlebenskampf der Männer, die in den Bergen vom Winter überrascht werden, besticht eher durch Tristesse und Langatmigkeit, und ausgerechnet die spannendste und beste Szene des Romans fällt dem> Budget zum Opfer und wird durch eine kostengünstigere, aber unspektakulärere Version ersetzt. Auch das Finale, im Roman von beängstigender Intensität, verpufft weitgehend em>otionslos.
Wer den Roman nicht kennt, wird dem> Film vielleicht mehr abgewinnen können. Immerhin erzählt er recht solide von der Geburt des modernen Amerikas als eine Nation, die sich schadlos an dem> Land und seinen Ressourcen bereichert und bereit ist, für gewaltigen Profit seine Seele zu verkaufen. Das ist nach wie vor aktuell, vielleicht sogar aktueller denn je, wiegt aber leider die vielen Schwächen des Films nicht ganz auf.
Note: 3-