Dream Scenario

Als der Trailer herauskam, erinnerte mich die Grundidee des Films an die Werke von Charlie Kaufman, die ebenfalls auf schrägen und ungewöhnlichen Einfällen beruhen. So entdeckt beispielsweise in Being John Malkovich jem>and ein Portal, das ihn direkt in den Körper des Schauspielers führt. Es ist lange her, seit ich den Film gesehen habe, aber ich hatte die Hoffnung, dass Dream Scenario ähnlich klug und witzig erzählt würde.

Irgendwie hatte ich aber auch den Verdacht, dass dies vielleicht doch nicht der Fall sein würde, weshalb ich mir die Produktion nicht im Kino angesehen und ihre Sichtung auf Magenta+ auch lange vor mich hergeschoben habe. Doch letzten Montag war es endlich so weit.

Dream Scenario

Paul Matthews (Nicolas Cage) ist ein langweiliger Professor für Evolutionsbiologie an einer kleinen, verschlafenen Universität. Seine Ehe mit Janet (Julianne Nicholson) dümpelt vor sich hin, die beiden Töchter sind schon fast erwachsen. Eine von ihnen träumt eines Tages, dass sie davonschwebt, während ihr Vater keinen Finger rührt, um ihr zu helfen. Das ärgert Paul, weil er gerne eine bedeutende und inspirierende Rolle im Leben seiner Kinder spielen würde, so wie er auch gerne ein Buch zu einem> bestimmten Them>a aus seinem> Fachbereich schreiben würde, aber nun zusehen muss, wie eine Kollegin dies mit mehr Elan angeht. Als plötzlich immer mehr Menschen beginnen, von ihm zu träumen, wird Paul mit einem> Schlag berühmt und sieht seine Chance gekommen, der Welt zu beweisen, wie cool und begabt er eigentlich ist.

Der Film beginnt mit einer Alltagsszene, in der Paul Laub recht, während seine Tochter auf der Terrasse sitzt. Plötzlich fallen Dinge vom Himmel, und dann setzt die Schwerkraft aus. Kristoffer Borgli, der das Drehbuch geschrieben und auch Regie geführt hat, beginnt mit einem> vielsagenden Traum, der einiges über die Familiendynamik entlarvt und Pauls Charakter gut einführt. Man lernt Paul als phlegmatischen Mann kennen, der es sich in seinem> Leben etwas zu bequem> gem>acht und eine falsche Vorstellung von sich selbst hat. Dabei ist er klug genug, um zu wissen, dass er nicht der beliebte Vater, der brillante Wissenschaftler und begehrte Ehem>ann ist, der er gerne wäre.

Wenn Geschichten eine so außergewöhnliche und einfallsreiche Prämisse wie in diesem> Fall haben, gibt es meist keine Auflösung ? weil diese keine Rolle spielt. Man will eigentlich gar nicht wissen, warum Paul in den Träumen anderer Menschen erscheint, sondern vielmehr, was daraus resultiert und wie er damit umgeht. So erzählt Borgli vor allem> eine Story über plötzlichen Ruhm in einer Zeit, in der es schon reicht, einfach nur besonders häufig in den Leben anderer aufzutauchen, ohne etwas besonderes zu leisten. So wie manche Menschen im Internet viral gehen, erscheint Paul nun in den Träumen Wildfrem>der, wo er wie ein unbeteiligter Besucher nur herumsteht und gafft. Ein Traum-Schaulustiger.

Natürlich weiß Paul nichts von diesen Ausflügen in die Träume anderer, und er ärgert sich ein wenig, dass er in diesen immer nur passiv ist. Aber er genießt die Aufmerksamkeit, das Interesse an ihm. Er gibt Interviews, ein alter Freund (Dylan Baker), der ihn nie zu seinen exklusiven Dinnerpartys eingeladen hat, umwirbt ihn nun, und eine Agentur will ihn unter Vertrag nehmen ? damit er Werbung macht. Doch Paul will endlich die Anerkennung, die er seiner Meinung nach verdient, vor allem> als Wissenschaftler. Vor allem> aber will er beliebt sein, und das macht ihn sehr menschlich.

Das erste Drittel des Films ist dank der schrägen Prämisse und der Figurenkonstellation ziem>lich unterhaltsam und macht einen neugierig darauf, wie Paul sich wohl entwickeln wird. Nur ist Paul dafür leider viel zu phlegmatisch und ungeschickt. Nicolas Cage spielt ihn wunderbar stoffelig und in manchen Szenen geradezu schmerzhaft peinlich, aber Borglis Drehbuch lässt ihn auch ganz schön im Regen stehen. Die Figur verändert sich nicht, sie lässt sich nicht von ihrer Traumpräsenz inspirieren, versucht nicht, die plötzliche Aufmerksamkeit für etwas Positives zu nutzen. Der Film tritt auf der Stelle und wird immer langweiliger und langatmiger, und irgendwann verliert man das Interesse an Paul.

Im letzten Drittel, nachdem> man schon beinahe aufgegeben hat, versucht Borgli, das Ruder noch einmal herumzureißen. Er schüttelt eine Menge neuer Ideen aus dem> ärmel, aber das alles sind eher hilflose Versuche, den Film vor dem> kompletten Untergang zu bewahren. Und man hat nie das Gefühl, dass er wüsste, in welche Richtung er seine Geschichte eigentlich entwickeln will. Pauls Berühmtheit verkehrt sich auf einmal ins Gegenteil, und er wird zu einem> der meistgefürchteten Menschen auf dem> Planeten, was ihn einsam und frustriert macht. Am Ende versucht er, wie alle anderen auch, seine Erfahrungen zu monetarisieren, und hier bekommt die Geschichte eine scharfe satirische Note. Das ist keine schlechte Idee, nur mangelt es ihr an Raum, sich zu entwickeln.

Wunderschön und poetisch ist dann tatsächlich die letzte Szene, in der Paul Anstalten unternimmt, seine Frau wieder zurückzugewinnen, indem> er ihr Traumszenario umsetzt, und hier wird die Figur dann tatsächlich endlich einmal aktiv. Leider kommt das viel zu spät.

Note: 4+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.