Geschichten, die das Leben schreibt

Als Autor bekommt man immer wieder mal folgende Frage gestellt: „Ich hab etwas so Verrücktes erlebt, willst du nicht ein Buch daraus machen?“ Und dann wird sehr ausführlich über eine verkorkste Weisheitszahn-OP berichtet oder über die zufällige Begegnung zweier Nachbarn im Fußballstadion von Mexiko City. Vor ein paar Jahren fragte mich eine Bekannte, ob ich nicht die Geschichte ihrer Scheidung dramatisch aufarbeiten wolle, wobei das, was sie mir erzählte, tatsächlich schon so dramatisch war, dass ich mich an Der Rosenkrieg erinnert fühlte. Nur mit einem harmloseren Ende. Obwohl … die Bekannte ist seit ihrem Umzug in die Nachbarstadt wie vom Erdboden verschluckt.

Vor zehn Jahren gab es mehr Geschichten über das Kennenlernen, Verlieben und Heiraten zu hören, jetzt kommen langsam Scheidungsfälle und Trennungen hinzu. Und Storys über die Eskapaden der Kinder. Wir werden ja schließlich alle älter. Aber man muss nicht unbedingt aus jeder Geschichte gleich einen Film machen. Bestes Beispiel:

Celeste & Jesse – Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Celeste (Rashida Jones) und Jesse (Andy Samberg) sind die besten Freunde – und lassen sich nach ein paar Jahren Ehe gerade scheiden. Dass sie sich nicht (mehr) streiten, ständig zusammen abhängen und jeden Tag sehen, empfinden ihre Freunde als unnatürlich. Aus diesem Grund versuchen die beiden, verstärkt eigene Wege zu gehen. Während Jesse schon bald eine neue Freundin hat und eine Familie gründet, beginnt Celeste an den Männern zu verzweifeln.

Romantische Komödien über ungleiche Paare, die sich widerwillig ineinander verlieben, gibt es zu Hauf. Warum also nicht einmal einen Film über die Scheidung eines Paares, das sich unglaublich gut versteht? Unwillkürlich fragt man sich natürlich, warum sie sich scheiden lassen, wenn sie so gute Freunde sind. Celeste, von der die Trennung ausging, bringt es auf den Punkt: Jesse ist ihr zu unreif und nicht genug auf seine Karriere als Künstler fokussiert – er besitzt nicht einmal ein Konto.

Zugegeben, Jesse wirkt schon ein wenig wie ein Schluffi, der die Arbeit nicht gerade erfunden hat, dafür erscheint seine Ex etwas zu zickig und launisch. Wirklich sympathisch ist keiner der beiden, weshalb es einem auch schwer fällt, ihren diversen Eskapaden zuzusehen. Dass Jesse zwischendurch auch noch verloren geht und sich die Story mehr auf Celeste konzentriert, ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass ihre Darstellerin Rashida Jones das Drehbuch mitverfasst hat.

Die Story ist dünn, die Witze auch, das Ganze ist wie ein Lehrstück aus dem Liebesleben moderner Hipster und ist genauso spannend wie es klingt. Insgesamt ganz nett, aber furchtbar belanglos und schnell wieder vergessen.

Note: 4+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.