Fast & Furious 8

Ein gebranntes Kind scheut bekanntlich das Feuer. Aber wenn man trotz schlechter Erfahrung eine Sache wiederholt, in der Hoffnung, dass sie diesmal einen anderen Ausgang nehmen könnte, ist man entweder verrückt oder zumindest ziemlich naiv. Als der sechste Teil der Reihe in die Kinos kam, überredete mich Mark G. mitzugehen, weil ihm der Vorgänger so viel Spaß gemacht hatte, doch ich wurde enttäuscht. Beim siebten Teil waren wir gerade in Amerika und wollten ins frisch umgebaute Chinese Theater gehen, wo zu dem Zeitpunkt leider nur dieser Film lief.

Jetzt, beim achten Teil, habe ich leider keine wirklich gute Erklärung mehr dafür, warum ich mitgegangen bin. Vielleicht aus Solidarität, vielleicht aus cineastischem Masochismus, vielleicht aus Neugier, wie übertrieben die Actionszenen diesmal ausfallen würden, vielleicht weil Helen Mirren angeblich einen großartigen Gastauftritt absolvieren soll oder vielleicht weil ich mir sicher war, dass ich auf diese Weise wenigstens einen Film für meine Flop Five-Liste am Jahresende bekommen würde. So wie es im Moment aussieht, könnte es sogar für die Position des schlechtesten Film des Jahres reichen…

Falls jemand den Film noch nicht kennen sollte, sei er gewarnt: Hier wird gespoilert.

Fast & Furious 8

Dom (Vin Diesel) und Letty (Michelle Rodriguez) verbringen ihre Hochzeitsreise auf Kuba, als eines Tages eine geheimnisvolle Blondine auftaucht: Cipher (Charlize Theron) ist eine Cyberterroristin, die Dom erpresst, damit er für sie arbeitet. Als das Team in Berlin eine EMP-Bombe beschaffen soll, stellt Dom sich auf einmal gegen seine Leute …

Beginnen wir mit etwas Positivem: Der Anfang ist überraschend gut gelungen. Die kubanische Szenerie, leicht bekleidete Mädchen, die beim Start des ersten Films vermutlich noch in den Windeln lagen, und ein waghalsiges Autorennen – zur Einstimmung machen die Drehbuchautoren und Regisseur Gary F. Gray zur Freude der Fans schon mal alles richtig. Natürlich spielt der Gegner falsch, aber Dom reagiert gelassen und gutmütig, eben wie ein richtiger Held, so dass kein Zweifel daran besteht: Der Kerl ist einer von den Guten.

Das war nicht immer so, denn Dom und seine Crew gehörten einst zu den bösen Jungs, aber im Laufe der Filme machten sie dann eine erstaunliche Wandlung durch und arbeiten nun in supergeheimen Missionen als eine Art superschnelle Eingreiftruppe der Regierung, deren Spezialität es ist, aufgemotzte Sportwagen in teuren Schrott zu verwandeln. Ihr Führungsoffizier ist Mr. Nobody (Kurt Russell), der sich wie ein Kindergärtner im Armani-Anzug aufführt, ihnen ihre Aufträge vorstellt und ihnen dann gelegentlich auf die Finger klopft. Im Grunde sind sie also nur eine multikulturelle Kopie von James Bond, mit dem sie die Vorliebe für schnelle Autos, leichte Mädchen und exotische Kulissen teilen sowie das Pech, immer an die fiesesten Schurken zu geraten, die entweder die Welt zerstören oder beherrschen wollen.

Fast & Furious wäre gerne ein Familienfilm und lässt keine Gelegenheit aus zu betonen, dass die Mitglieder des Teams sich als Familie begreifen. Es ist eine ziemlich dysfunktionale Familie, so viel ist sicher, und auf ihre kitschigen Beteuerungen, immer füreinander da zu sein, sollte man keinen Pfifferling geben. Denn der achte Teil zeigt sehr deutlich, wie hohl dieses Geschwätz eigentlich ist.

Dabei ist die Grundidee der Geschichte gar nicht mal schlecht ausgedacht, denn das Schlimmste, das einer Familie passieren kann, ist der Verrat durch eines ihrer Mitglieder. Wenn Dom also von Cipher erpresst wird, sollte man annehmen, dass er sich seiner Familie anvertraut und sie gemeinsam einen Weg finden, wie man die Gegnerin ausschaltet. Dazu hätte Dom sich zum Schein auf ihre Seite schlagen und ihre Organisation infiltrieren können, dann hätte man genug Material für spannende Szenen gehabt, aber Dom pfeift auf seine Familie und zieht einen Alleingang vor.

Falls die Autoren geplant hatten, ein großes Geheimnis aus dem Grund für diese Erpressung zu machen, ist ihnen dies gründlich misslungen. Noch bevor er einen Fuß in Ciphers Flugzeug setzt, weiß der aufmerksame Zuschauer bereits, dass sie seinen Sohn entführt hat, schließlich haben Letty und Dom zuvor über potentielle Kinder gesprochen und der Mann behauptet von sich, ein Familienmensch zu sein. Es ist auch klar, dass die Mutter im Verlauf sterben wird, weil die Autoren immer den bequemsten Weg gehen und jeden emotionalen Konflikt nach Kräften vermeiden, und wenn man den letzten Film der Reihe gesehen hat, weiß man sogar schon, wie das Kind später einmal heißen wird.

Aber lassen wir einmal all diese Schwächen beiseite und ignorieren auch die Tatsache, dass keiner Doms Verrat wirklich ernst zu nehmen scheint bzw. jeder ihm schneller verzeiht, als man Zylinderkopfdichtung buchstabieren kann, bleibt immerhin noch ein Actionfilm übrig, der einen auch dann unterhalten kann, wenn das Beziehungsgeflecht der Figuren dünner als ein Spinnnetz ist. Hier geht es ganz klassisch um einen Gegner, der vor nichts zurückschreckt, um Atomwaffen in seine, pardon ihre manikürten Finger zu bekommen und die Welt zu erpressen.

Die Story ist zwar nicht originell, aber auch darum geht es in dem Genre nicht. Es wäre sogar verzeihlich, wenn gelegentlich die Logik etwas überstrapaziert wird, solange alles spannend erzählt wird. Aber da das Franchise im Superlativ gefangen ist und alles noch spektakulärer als beim letzten Mal sein muss, wird eine Spirale der Übertreibung in Gang gesetzt, die den Film letzten Endes implodieren lässt, so dass man irgendwann an einen Punkt kommt, an dem man nichts mehr ernst nehmen oder glauben kann, weil alles einfach nur grotesk und lächerlich ist.

Ab einem gewissen Punkt funktioniert alles nur noch auf der Behauptungsebene. Dom hat natürlich einen geheimen Plan, wie er Cipher hintergeht, aber wie er diesen umsetzt, obwohl er sich in einem Flugzeug befindet und ununterbrochen bewacht wird, verschweigt das Drehbuch. Natürlich braucht er auch Hilfe von außen, aber wieder wendet er sich nicht an seine Familie, sondern an Leute, die er kaum kennt, geschweige denn denen er vertraut. In dem Fall ist es ihr früherer Gegenspieler Deckard (Jason Statham), dessen geheime Absichten Dom sofort erkennt, als er ihm einmal kurz in die Augen blickt. Selbstverständlich wird auch dieser Moment nicht gezeigt, denn dies hätte die Schauspielkunst von Diesel und Statham bei weitem überfordert.

Im letzten Drittel bricht der Film dann komplett auseinander und scheint in einem Paralleluniversum zu spielen, in dem kein Naturgesetz dauerhaft gilt. Hier kickt man Torpedos einfach mit dem Fuß beiseite, sind U-Boote so schnell wie Sportwagen, ist die Dicke des Eises in jedem Moment gerade nur so dick oder dünn wie man das gerade braucht und richtet Feuer nicht mehr Schaden an als ein kräftiger Windstoß. Selbst die EMP-Bombe, die angeblich eine Stadt in ein Kriegsgebiet verwandeln kann, schafft es lediglich für wenige Minuten, den Strom abzuschalten.

Wie gesagt, ein gewisses Maß an Übertreibung gehört zum Genre, aber wenn die Grenzen der Logik pulverisiert werden, wenn absolut nichts an der Geschichte folgerichtig oder in sich stimmig ist, dann hilft auch die spektakulärste Action nicht, denn dann ist der Film einfach nur noch unendlich langweilig. Das einzige, was ihn vor dem endgültigen Absturz bewahren könnte, wäre eine Menge Humor und vor allem Selbstironie, aber außer dem üblichen Gefrotzel und einigen dümmlichen Sprüchen hat das Drehbuch auch hier nichts zu bieten.

Mit Helen Mirren als Mutter der wahnsinnigen Brüder Deckard und Owen (Luke Evans), die zwei amüsante Gastauftritte absolviert, wird das Thema Familie noch einmal aufgegriffen. Wenn alles den Bach runtergeht, kann eben nur noch Mama helfen. Natürlich verwandelt sich auch hier wieder aus unerfindlichen Gründen ein Bösewicht in einen Guten – Fast & Furious ist eben das effektivste Rehabilitierungsprogramm der Welt. Wenn die geplante Trilogie mit dem zehntenTeil zu Ende geht und danach vermutlich eine weitere in Auftrag gegeben wird, darf man wohl davon ausgehen, dass Deckard und Owen dann ebenfalls zur Familie gehören, vermutlich auch Cipher, die dann mit dem einen Bruder verheiratet ist und vom anderen ein Kind erwartet.

Note: 5-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.