The Shape of Water

Es hat drei oder vier Anläufe gebraucht, bis ich endlich dazu gekommen bin, The Shape of Water zu sehen. Leider hab ich es nicht mehr vor der Oscarverleihung geschafft, aber immerhin konnte ich mir jetzt endlich ein Bild davon machen, ob der Film wirklich der beste des letzten Jahres ist.

The Shape of Water – Das Flüstern des Wassers

Die USA in den Fünfzigern: Die stumme Elisa (Sally Hawkins) arbeitet als Putzfrau in einer streng geheimen Regierungseinrichtung, in der eine geheimnisvolle Kreatur (Doug Jones), halb Mensch, halb Amphibie, die am Amazonas gefangen genommen wurde, eingeliefert wird. Während Richard Strickland (Michael Shannon) skrupellose Versuche an dem Wesen vornimmt, um aus seiner Anatomie Erkenntnisse zu gewinnen, die den Amerikanern bei künftigen Reisen ins Weltall helfen könnten, freundet Elisa sich mit dem intelligenten Wesen an – und verliebt sich sogar. Als sowohl die Amerikaner als auch ein russischer Spion (Michael Stuhlbarg) den Auftrag erhalten, das Wesen zu töten, beschließt Elisa, es zu retten. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Zelda (Octavia Spencer) und ihrem besten Freund Giles (Richard Jenkins) legt sich Elisa mit der Regierung an …

Die Fünfziger mit ihren strikten Moralvorstellungen, ihrer Engstirnigkeit und ihrem Schwarz-Weiß-Denken müssen mal wieder als Vexierspiegel unserer Zeit erhalten, die mit denselben Problemen zu kämpfen hat, diese aber immerhin als solche erkannt hat und an ihrer Lösung arbeitet. So passt es perfekt in die heutigen gesellschaftlichen Diskussionen, dass in Guillermo del Toros Hymne auf den Humanismus eine behinderte Frau, eine Afro-Amerikanerin und ein schwuler Mann zu Kämpfern für das Gute werden. Thematisch setzt sich der Film vor allem mit der Macht des weißen Mannes auseinander, verkörpert von Michael Shannon, dessen Figur an der Grenze zur Karikatur angesiedelt ist und der buchstäblich innerlich verrottet, nachdem ihm das geheimnisvolle Wesen zwei Finger abgebissen hat, die nun nicht mehr anwachsen wollen und seinen Körper vergiften. So stößt zugleich auch die wissenschaftliche Hybris an ihre Grenzen.

Del Toro, der zusammen mit Vanessa Taylor auch das Drehbuch geschrieben hat, vermischt geschickt verschiedene Themen und Motive und bedient sich dabei ausführlich bei den B-Filmen der Fünfziger, die immer auch mit der Angst vor dem Fremden, meist den Russen, gespielt haben, die mit der Figur des feindlichen Spions auch hier eine Rolle spielen – und genauso hilflos agieren wie die Amerikaner.

Differenzierte Charakterisierungen darf man dabei allerdings nicht erwarten. Shannons Figur wirkt ein wenig holzschnitzartig in ihrer herrenmenschlichen Bösartigkeit, zu der eine tiefsitzende Verachtung für Frauen und Minderheiten gehört sowie ein ausgeprägtes Machtdenken. Selbst sexuelle Übergriffe benutzt er nur dazu, um seine eigene vermeintliche Überlegenheit zu unterstreichen. Und er wäscht sich nach dem Pinkeln nicht mal die Hände …

Neben dem Widerling macht sogar der russische Spion eine gute Figur, denn er hat sich seine Menschlichkeit bewahrt, was ihn in den Augen seiner Kollegen höchst verdächtig wirken lässt. Am besten kommen jedoch die drei Außenseiter-Helden weg, die man als Zuschauer schnell ins Herz schließt, die aber auch ein bisschen blass bleiben.

In der Bildsprache bedient sich del Toro vor allem beim Melodram der Fünfziger, zitiert aber auch die klassischen Musicals der Vierziger und einige bekannte TV-Sendungen jener Zeit. Die Bilder sind dunkel, verwaschen, geheimnisvoll, sie wirken wie aus einem Traum oder einer Zwischenwelt – wie jener Amphibienmann, der in der Welt der Menschen zum Versuchsobjekt degradiert, in seiner Heimat jedoch als Gott verehrt wird.

Dass die Heldin über einem alten Kinopalast lebt, der seine besten Tage jedoch schon hinter sich hat, ist natürlich kein Zufall. Das Fernsehen mit seinen Trivialitäten bedroht die Opulenz des Kinos, das den Menschen die Flucht in Traumwelten verspricht. Das alles wird meisterhaft dargestellt und auf mehreren Ebenen, auch in einem Diskurs über den Begriff trivial, verhandelt.

So klug del Toro auch seine Geschichte angelegt hat, ihre Themen ausbreitet und ineinander verwebt, kann er leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass er relativ wenig zu erzählen hat. Die Handlung entwickelt sich sehr langsam, es schleichen sich einige Längen ein, und selbst die Flucht aus der Einrichtung vollzieht sich reichlich unspektakulär. Und das Ende ist ein reines Märchen, aber genau das brauchen wir manchmal auch, um uns aus der hässlichen Gegenwart in eine bessere Welt zu träumen. Genau dafür sind manche Filme da.

Man kann verstehen, warum diese Außenseiter-Parabel von vielen zum besten Film 2017 gekürt wurde, sie besitzt eine gewisse gesellschaftliche Relevanz, ist aber gefällig genug gemacht, um manche Leute nicht zu verärgern. Ein guter Konsens-Film, für mich allerdings nicht das Beste aus dem letzten Jahr.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.