BlacKkKlansman

Vergangenes Wochenende war ich mal wieder im Kino. Als Mark G. und ich im Frühjahr eine Weile in den USA unterwegs waren und dort vor allem in den Südstaaten, haben wir uns natürlich auch mit der Geschichte der Bürgerrechtsbewegung beschäftigt. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser noch an unseren Besuch in Selma.

Passend dazu und zu den aktuellen, beklemmenden Geschehnissen in den USA startete der neue Film von Spike Lee:

BlacKkKlansman

Ron Stallworth (John David Washington) ist der erste afro-amerikanische Polizist in Colorado City in den Siebzigerjahren und hat entsprechend mit dem alltäglichen Rassismus, auch in seiner Behörde zu kämpfen. Er glaubt, im Undercover-Einsatz, insbesondere im Drogendezernat, wertvolle Dienste leisten zu können, wird zunächst aber rekrutiert, um eine politische Versammlung schwarzer Studenten zu infiltrieren. Dabei lernt er die kluge Aktivistin Patrice (Laura Harrier) kennen und verliebt sich in sie. Als er kurze Zeit später eine Annonce des Ku Klux Klans entdeckt und sich aus einer Eingebung heraus dort um die Mitgliedschaft bewirbt, macht er seine Sache so gut, dass der KKK-Ortsverband ihn unbedingt kennenlernen will. Also muss sein weißer – noch dazu jüdischer – Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) für ihn einspringen …

Die Geschichte klingt auf den ersten Blick wie schlecht ausgedacht: Warum sollte ausgerechnet ein schwarzer Polizist auf den KKK angesetzt werden? Sicher, die Idee ist für eine politische Satire nicht uninteressant, hört sich aber dennoch ziemlich unrealistisch an. Doch wie es so oft passiert und wie die amerikanische Politik der Gegenwart es jeden Tag aufs Neue beweist: Nichts ist so gaga, dass es nicht doch wahr sein könnte.

Der echte Ron Stallworth hat erst vor gut zehn Jahren seine Lebensgeschichte und diesen Fall publik gemacht, und Spike Lee nun die Memoiren zusammen mit Charlie Wachtel, David Rabinowitz und Kevin Willmott in ein Drehbuch verwandelt, das einen kühnen Bogen schlägt von den Siebzigern und der Bürgerrechtsbewegung zur Gegenwart. Im Zentrum steht allerdings der tollkühne Einsatz gegen den KKK, der schier unglaubliche Kapriolen schlug.

Wie tief der Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft verankert ist, verdeutlicht Lee gleich zu Beginn mit einem hetzerischen „Aufklärungsfilms“ eines von Alec Baldwin gespielten Rassisten, der zugleich entlarvt, wie dumm diese Menschen tatsächlich sind. Auch die Ortsgruppe des KKK im Film ist nicht gerade ein intellektueller Haufen, sondern wirkt eher so, als lieferten sich die Mitglieder einen Wettkampf darum, wer von ihnen dämlicher ist. Diese Verharmlosung ist prinzipiell nicht ungefährlich, doch Lee hält sich wenigstens so weit zurück, dass die Funktionäre nicht zur Karikatur verkommen.

Da Stallworth auch mehrfach mit dem Anführer des KKK, David Duke (Topher Grace), telefoniert, wird auch die neue, vermeintlich harmlosere Generation der Rechten zur Sprache gebracht, die weniger brutal auftritt und ihre Ziele auf subtilere Weise zu erreichen versucht. Die sich aber, der Seitenhieb musste wohl sein, ebenfalls selbst lächerlich macht, weil sie auf ihre eigenen Vorurteile hereinfällt, indem Duke beispielsweise behauptet, er könne anhand der Stimme erkennen, ob er mit einem Weißen oder Farbigen telefoniert.

Dass diese Dumpfbacken dennoch gefährlich sind, liegt nicht nur an ihrer Liebe zu Waffen und ihrer offenen Aggressivität, sondern auch an ihren Plänen, einen Bombenanschlag auf afro-amerikanische Studenten zu verüben. Bis es zu dieser Bedrohung kommt, die Stallworth und Zimmerman zu verhindern versuchen, dauert es leider etwas zu lange. So schleichen sich gerade in der ersten Hälfte zahlreiche Längen ein, denn der Witz, dass ein Schwarzer KKK-Mitglied wird, nutzt sich schon relativ bald ab.

Lee setzt insgesamt mehr auf politische Inhalte und weniger auf die Komplexität seiner Figuren, was ihm manche Kritiker insofern zum Vorwurf machen, dass der echte Stallworth mehr getan hat, als nur den KKK bloßzustellen: Er war über Jahre hinweg damit beschäftigt, die Black Power-Bewegung auszuspionieren, was im Film nur kurz angerissen wird. Immerhin gibt es einige interessante Diskussionen zwischen Stallworth und seiner Freundin Patrice über die angemessene Reaktion auf gesellschaftsimmanenten Rassismus.

Es scheint, als wolle Lee ein wenig zu viel. Er will eine aberwitzige, wahre Geschichte erzählen, den KKK ebenso wie den alltäglichen Rassismus entlarven, aber auch einen Diskurs beginnen, wie Afro-Amerikaner damit umgehen sollen – mit Gewalt oder passivem Widerstand? Das endet schließlich mit einer gewagten Montage, in der er die Blackploitation-Filme der Siebziger zitiert und dann einen kühnen Bogen zu Trump und den Ereignissen von Charlottesville von 2017 schlägt. Das passt nicht so recht zusammen und wirkt etwas unbeholfen zusammengestückelt, entfaltet aber dennoch eine enorme emotionale Wucht.

Insgesamt trotz einiger Längen und kleinerer Schwächen ein guter, zum Ende hin sogar spannender und bewegender Film.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.