Logan Lucky

Ist Steven Soderbergh nun in Frührente oder nicht? Ich habe ein wenig den Überblick verloren, weil ich seit seiner Ankündigung 2013 nicht das Gefühl hatte, dass er sich tatsächlich aufs Altenteil zurückgezogen hat, denn er hat direkt danach die TV-Serie The Knick inszeniert, bevor er sich wieder einem Kinofilm zugewandt hat. Da sein vermeintlicher Rückzug mit einer vielbeachteten Kritik an den Verhältnissen in Hollywood gekoppelt war, kann man das Ganze auch als PR-Maßnahme oder eine kreative Film-Pause betrachten.

Vergangenen Herbst erschien bei uns dann jener Film, der Soderberghs „Ruhestand“ unterbrochen hat, und vergangenes Wochenende habe ich ihn mir auf Amazon angesehen.

Logan Lucky

Jimmy Logan (Channing Tatum) verliert seinen Job bei einer Baufirma, die gerade Arbeiten bei der NASCAR-Arena in North Carolina durchführt. Dank seiner Insiderkenntnisse hat Jimmy die Idee, die Organisation an einem Renntag auszurauben, wenn Tausende Menschen dort eine Menge Geld lassen, das durch ein Rohrpostsystem in einen riesigen Tresorraum transportiert wird. Als erstes gewinnt er seinen Bruder Clyde (Adam Driver) für seinen Plan, aber sie benötigen auch noch einen Sprengstoffexperten. So kommt Joe Bang (Daniel Craig) ins Spiel, der jedoch dummerweise im Gefängnis sitzt, so dass sie ihn zuerst befreien müssen …

Heist Movies bieten viele Möglichkeiten, eine Geschichte auf eine spannende und unterhaltsame Art zu erzählen. Das Muster, nach dem sie ablaufen, ist dabei immer dasselbe: Der Held hat eine geniale Idee für einen Raubzug, überzeugt einen Komplizen, heuert eine Crew an, arbeitet den Plan genauer aus und muss dabei jede Menge Schwierigkeiten überwinden, bis er schlussendlich ans Ziel gelangt. Manchmal gibt es danach noch weitere Probleme, weil sich Ermittler einschalten, die ebenfalls ausgetrickst werden müssen. Und mit einigen schrägen Nebenfiguren kann man das Ganze auch richtig witzig gestalten.

Soweit die Theorie. Bei der Umsetzung sieht es jedoch oft anders aus, und auch Logan Lucky kommt von Anfang an nicht so richtig vom Fleck. Dabei ist Jimmy ein guter Protagonist, denn er wird aus einem lächerlichen Grund – er hat bei seiner Bewerbung eine (offensichtliche) Beinverletzung verschwiegen, weshalb seine Versicherung widerrufen wird – gekündigt und leidet darunter, dass seine Ex-Frau (Katie Holmes) mit seiner Tochter weit weg ziehen will. Dass der Mann Geld braucht, um sein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen, kann man nachvollziehen. Auch Clyde ist benachteiligt, denn er hat bei einem Militäreinsatz seine linke Hand verloren und schlägt sich mühsam als Barkeeper durch. Es gibt auch schräge Nebenfiguren wie Joe Bang, dessen Name schon Programm ist, und seine unterbelichteten Hillbilly-Brüder.

Trotz einer nicht uninteressanten Figurenkonstellation funktioniert das Ensemble als Ganzes jedoch leider nicht. Das liegt zum einen an Soderberghs distanzierter Regie, die es auch diesmal dem Zuschauer wieder extrem schwer macht, Interesse für die Figuren zu entwickeln, ihre Gefühle zu verstehen und vor allem nachzuvollziehen. Hinzukommt, dass er nahezu alle Darsteller so emotionslos agieren lässt, dass man meinen könnte, er hätte sie durch sprechende Wachspuppen ersetzt. Das Ergebnis ist, dass einem das Schicksal von Jimmy, Clyde und den anderen völlig egal ist und man somit auch nie um sie bangt oder am Ende für sie freut.

Ein weiteres Manko ist der Mangel an Konflikten. Man sollte doch meinen, dass ein explosiver Charakter wie Joe Bang oder auch seine dämlichen Brüder für den einen oder anderen Streit sorgen würden. Vor allem gegen Ende, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie es vorher mit Jimmy vereinbart hatten. Doch nichts davon passiert.

Auch sonst ist das Drehbuch von Rebecca Blunt erschreckend schlecht geschrieben und konzipiert. Die Hindernisse, die die Räuber überwinden müssen, erscheinen aus der Ferne betrachtet nahezu unüberwindlich, entpuppen sich dann aber als kinderleicht. Das liegt nicht an der Raffinesse und dem Einfallsreichtum von Jimmy oder den anderen, sondern daran, dass Dinge behauptet werden, die man als Zuschauer dann entgegen aller Logik und dem gesunden Menschenverstand einfach hinnehmen soll. Wie sie Joe aus dem Gefängnis holen, ist beispielsweise so schlecht geschrieben, dass man sich nur verwundert die Augen reibt. Und auch bei der Durchführung des Raubes gibt es nicht eine Sekunde lang so etwas wie Spannung.

Zum Schluss kommt dann tatsächlich noch eine FBI-Ermittlerin (Hillary Swank) ins Spiel, die den Brüdern auf die Schliche kommt, aber ausgetrickst wird. In der letzten Szene taucht sie noch einmal auf und macht sich an Clyde heran. Vielleicht, um ein Sequel zu ermöglichen – ein erschreckender Gedanke …

Völlig misslungenes Heist Movie ohne einen Funken Spannung und Humor. Soderbergh hätte besser im Unruhestand bleiben sollen.

Note: 4-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.