Die Babel-Liste

Mark G. ist ja auch in amerikanischen Box-Office-Foren unterwegs, und vor einigen Tagen erzählte er mir von einer Umfrage unter den dortigen Lesern, die ich interessant fand. Es ging um eine Liste mit den besten Filmen aller Zeiten. Ganz alter Hut, möchte man sofort ausrufen, schließlich werden solche Umfragen und Listen gerade jetzt zum Jahresende alle Nase lang erstellt. Nein, diesmal ging es um die besten nicht-englischsprachigen Filme.

Die Präsenz Hollywoods (und auch des britischen Kinos) ist so dominant, dass man erst einmal überlegen muss, welche nicht-englischsprachigen Filme man denn in letzter Zeit überhaupt gesehen hat. Und gefallen haben sollen sie einem ja auch. Vermutlich denken viele nun an Ziemlich beste Freunde, immerhin der erfolgreichste nicht-englischsprachige Film der letzten Jahre, aber der taucht in den Top Ten nicht auf. Tatsächlich ist Pan’s Labyrinth auf dem ersten Platz gelandet, gefolgt von Chihiros Reise ins Zauberland und Die fabelhafte Welt der Amélie. Interessant ist auch, dass es mit Der Untergang ein deutscher Film in die Top Ten (Platz Zehn) geschafft hat, noch vor Das Leben der anderen (Platz 11), Lola rennt und Das Boot (auf den hinteren Plätzen). Das hätte ich auch nicht gedacht.

So sieht übrigens Mark G.s Liste aus:

1. Es geschah am helllichten Tag
2. Cinema Paradiso
3. Die fabelhafte Welt der Amélie
4. Good Bye Lenin!
5. Mephisto
6. Ran
7. Lola rennt
8. Drei Nüsse für Aschenbrödel
9. Hasch mich, ich bin der Mörder
10. Sein letztes Rennen

Seine Wahl finde ich in mehrfacher Hinsicht erstaunlich. Den Klassiker mit Heinz Rühmann und Gert Fröbe hatte ich nicht mehr auf dem Radar, er ist aber eine ausgezeichnete Wahl. Einen Märchenfilm hätte ich auch nicht unbedingt erwartet, aber warum nicht – es ist nun mal ein wunderschöner, warmherziger Film, bei dem ich immer wieder hängen bleibe. Aber dass der sperrige und verkopfte Mephisto so hoch rangiert, verblüfft mich wirklich, ebenso das Auftauchen von Louis de Funès. Mark G. ist eben immer für eine Überraschung gut…

Wie sähe nun meine eigene Liste aus? Ein wenig habe ich mich von der Top Ten des Forums beeinflussen lassen, aber auch von Mark G., zusätzlich bin ich lange in mich gegangen und habe überlegt. So viele nicht-englischsprachige Filme sehe ich ja nicht (warum eigentlich nicht?), und noch weniger finden mein Gefallen (ja, ja, ich weiß, ich bin zu streng…). Nach reiflicher Überlegung ist hier nun meine Top Ten:

1. Eat Drink Man Woman
2. Die Kinder des Olymp
3. Es geschah am helllichten Tag
4. City of God
5. Die zauberhafte Welt der Amélie
6. Die Kinder des Monsieur Mathieu
7. Lebewohl, meine Konkubine
8. Rote Laterne
9. Der Kongress tanzt
10. Good Bye Lenin!

Ich muss zugeben, die Wahl hat mich selbst überrascht. Die ersten vier Plätze waren leicht: Eat Drink Man Woman zählt zu meinen absoluten Lieblingsfilmen, ebenso Die Kinder des Olymp, der noch dazu eine aufregende Entstehungsgeschichte aufzuweisen hat, durch die der Akt des Filmemachens zu einer revolutionären Geste wird. Und Amélie und Monsieur Mathieu muss man einfach lieben.

Die letzten vier Ränge waren allerdings hart umkämpft. Tiger and Dragon war lange in der engeren Wahl, aber Lebewohl, meine Konkubine und Rote Laterne habe ich viel emotionaler in Erinnerung, so visuell aufregend der Film von Ang Lee auch ist (außerdem ist ein anderer seiner Filme ja meine Nummer Eins).

Platz Neun bedarf einer Erklärung: Der Kongress tanzt ist vielleicht kein perfekter Film und ja, er ist auch ein bisschen schnulzig, noch dazu das Operetten-Gesinge… Geschenkt. Es ist darüber hinaus eine schöne, modern anmutende Liebeskomödie, die trotz ihres leicht moralinsauren Endes immer noch um viele Klassen besser ist als die dümmlichen Streifen unserer Zeit. Ich denke immer noch, es ist einer der wenigen alten, deutschen Filme, die es zu remaken lohnt (zumal sich der Wiener Kongress in zwei Jahren zum zweihundertsten Male jährt), aber damit stehe ich vermutlich alleine da.

Ich hadere ja ansonsten immer mit dem deutschen Film, habe mich aber bewusst für zwei einheimische Produktionen auf den letzten beiden Plätzen entschieden (zusätzlich zu Es geschah am helllichten Tag), weil bei uns alle Jubeljahre einmal eben doch gute Filme entstehen. Knapp rausgefallen sind übrigens: Die siebente Saite, Chungking Express und Diva, weil ich sie zwar gut in Erinnerung habe, dieser aber nicht ganz traue.

Darüber hinaus sind mir natürlich noch jede Menge tolle nicht-englischsprachige Filme eingefallen: Spurlos verschwunden, Delicatessen, Die Bartholomäusnacht, Hass, La Strada, Mann beißt Hund oder Auf Wiedersehen, Kinder. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Daher die Frage an die geschätzten Leser: Wie sieht eure Top Ten aus? Antworten im Forum.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.