Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga

Seit der Trailer vor einigen Wochen veröffentlicht wurde, ist dieses Projekt zum Film der Stunde aufgestiegen, von den meisten mit kopfschüttelnder Skepsis beäugt und von den ESC-Fans, die auf ihr geliebtes Event heuer wegen Corona verzichten mussten, mit hoffnungsvoller Spannung erwartet. Das liegt zum großen Teil natürlich auch daran, dass es im Kino keine Blockbuster wie Tenet, Bond oder Mulan gibt, auf die sich viele gefreut haben, und man nun nehmen muss, was man kriegen kann. Und wenn es nicht im Kino ist, dann – wie in diesem Fall – eben auf Netflix.

Ich hatte von Anfang an meine Zweifel. Der ESC ist, um es frei mit Michael Chabon zu sagen, ist etwas, das im Detail kitschig und lächerlich wirkt, das man als Ganzes jedoch dennoch irgendwie gut finden kann. Auch ich habe in den vergangenen zehn Jahren immer wieder mal einen ESC verfolgt, mich über Gaga-Auftritte amüsiert und mich über die ungerechte Punktevergabe geärgert. Also habe ich dem Film eine Chance gegeben – Will Ferrell zum Trotz …

Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga

Seit dem Tod seiner Mutter und einem tröstenden Auftritt von ABBA beim Eurovision Song Contest in seiner Kindheit, träumt Lars (Will Ferrell) davon, selbst einmal auf der Bühne zu stehen und seine Heimat Island zu vertreten. Rund vierzig Jahre später macht er gemeinsam mit seiner Jugendfreundin Sigrid (Rachel McAdams) immer noch Musik, ist seinem Ziel aber keinen Deut näher gekommen. Durch Zufall werden die beiden schließlich ausgewählt, am Wettbewerb für die Wahl des isländischen Beitrags teilzunehmen, den sie sogar gewinnen – weil alle anderen Kandidaten tragischerweise ums Leben kommen …

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Will Ferrell ein Fan des ECS ist, geschweige denn überhaupt schon mal davon gehört hätte? Angeblich wurde er bereits vor zwanzig Jahren, als er die Familie seiner schwedischen Frau besuchte, angefixt und dachte seither darüber nach, eine Geschichte vor dem Hintergrund des Wettbewerbs zu erzählen. Man fragt sich nur, warum er nach all den Jahren nicht eine bessere Story gefunden hat.

Im Grunde ist es ein klassisches Cheerie-Movie über einen krassen Außenseiter, der allen Widerständen zum Trotz einen Sieg erringt – und sei es über sich selbst. Zum Teil ist es, wie man von Ferrell, der sich gerne auf platte Art über alles und jeden lustig macht, eine Parodie auf die Absurditäten eines albernen Wettbewerbs. Doch wenn sich etwas wie der ESC selbst nicht so ganz ernst nimmt, ist es schwer, eine solche Veranstaltung durch den Kakao zu ziehen. Das ist, als wollte man eine Karnevalssitzung parodieren.

Letzten Endes gibt es zwar einige wenige satirische Überzeichnungen, die aber insgesamt eher harmlos ausfallen. Vielmehr ist es eine liebevolle, wenn auch nicht ganz ernst gemeinte Hommage an den ESC, die quasi den Geist der Veranstaltung widerspiegelt. Das Zielpublikum sind vor allem die Europäer und anderen Nationen, die sich an dem Spektakel beteiligen, weniger die wenigen amerikanischen Zuschauer, die sich in den Film verirren könnten und sich dann vermutlich fragen, worum zum Teufel es eigentlich geht. Jedenfalls verschwendet Ferrell, der auch am Buch mitgearbeitet hat, keine Zeit darauf, auch nur irgendetwas zu erklären.

Leider ist Ferrell für diese Rolle inzwischen zwanzig bis dreißig Jahre zu alt, außerdem sind sowohl sein Lars als auch Sigrid sehr papierene Figuren, die keine Sekunde lang wirklich zum Leben erwachen und nur funktionieren, wenn man viel guten Willen mitbringt. Wie gesagt, das Ganze ist eine sehr dürftige Story über Versagensängste und Selbstvertrauen und auch über einen Vater-Sohn-Konflikt, denn Lars sucht seit seiner Kindheit die Anerkennung seines vor Vitalität strotzenden Vaters (Pierce Brosnan). Außerdem ist es auch eine Love-Story mit Hindernissen, denn Lars versagt sich aus Angst, ihre musikalische Beziehung zu gefährden, eine Annäherung an Sigrid.

Dieser Konflikt führt sie dann zwangsläufig in die Arme des russischen Teilnehmers Alexander Lemtov, den Dan Stevens kongenial als singenden Oligarchen verkörpert, der zwar offensichtlich schwul ist, genau dies aber in seiner Heimat nicht kundtun darf. Eine echte Konkurrenz zu Lars ist er damit zwar nicht, sorgt aber für viele Lacher, bedient das schwule ESC-Publikum und setzt heimlich ein paar diskrete politische Akzente. Stevens Auftritte gehören definitiv zu den besseren Momenten des Films.

Darüber hinaus kann man – obwohl in manchen Szenen doch sehr eine Ferrell-Komödie – herzlich über den Film lachen. Einige Gags funktionieren wunderbar (die Elfen!), andere sind eher Rohrkrepierer. Stark ist der Film vor allem in seinen musikalischen Auftritten, die perfekt den ESC-Sound kopieren und vielfach vergangene Inszenierungen aufgreifen und damit den Fans gefallen dürften.

Alles in allem kein Film, den man sich wegen seiner Handlung oder seiner ausgefeilten Charaktere ansehen sollte, den man aber mögen kann, selbst wenn man kein großer Fan des ESC ist. Im Grunde ist es wie der ESC selbst, man findet seine Details nicht gelungen, hat in der Summe aber eine Menge Spaß – wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.