Eternals

Auf YouTube wurde mir vor einigen Wochen ein Beitrag über die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Celestials, Eternals und anderen Figuren des Marvel Cinematic Universe vorgeschlagen, den ich mir als Vorbereitung für den neuen Marvel-Film auch tatsächlich angesehen habe. Leider muss ich gestehen, dass dieses eifelturmartige Geflecht von Beziehungen eher verwirrend war und ich bis zum Start fast alles wieder vergessen hatte …

Da mich als Kind weder Marvel- noch DC-Comics interessiert haben, sind das für mich sowieso alles böhmische Dörfer. Ich goutiere die Filme, erfreue mich an ihren Geschichten und hoffe, dabei nicht völlig die Übersicht zu verlieren. Spannend finde ich am MCU momentan vor allem, dass man noch nicht weiß, in welche Richtung sich alles entwickeln wird. Vermutlich wird es mit dem Multiversum zusammenhängen, aber auch das ist reine Spekulation, und die neue Produktion, die eine Reihe neuer Helden einführt, verrät diesbezüglich leider auch nicht viel.

Eternals

Die Celestials gehören zu den ältesten Geschöpfen des Universum, die im leeren Raum zwischen den Galaxien existieren und Planeten erschaffen können. Vor über siebentausend Jahren entsandten sie die Eternals, eine von ihnen geschaffene unsterbliche und humanoide Rasse auf die Erde, um die Menschen vor den Deviants, riesigen Monstern, zu beschützen. Die Eternals halfen den Menschen aber auch, die Zivilisation zu begründen, und begleiteten sie über viele Jahrhunderte hinweg, bis sie eines Tages nach der Ausrottung der Deviants verschwanden.

Sersi (Gemma Chan) gehört zu den Eternals und lebt im heutigen London, wo sie an der Universität lehrt und mit dem Sterblichen Dane (Kit Harrington) liiert ist. Vor einigen Jahren ist ihre Schwester Sprite (Lia McHugh) zu ihr gezogen, die sich einsam fühlt und trotz ihres Alters immer noch wie eine Teenagerin aussieht. Als die beiden eines Tages von einem Deviant angegriffen werden, begreifen sie, dass ihre Aufgabe auf diesem Planeten noch nicht beendet ist. Sie versuchen, die anderen Eternals (Angelina Jolie, Richard Madden u.a.) zusammenzutrommeln, entdecken dabei aber, dass ihre Anführerin Ajak (Selma Hayek) von einem Deviant getötet wurde und ein kosmisches Ereignis bevorsteht, dass die Erde vernichten wird …

Mit Eternals wird Marvel metaphysisch. Vielleicht ist es den esoterischen Siebzigern oder einer Menge LSD-Trips geschuldet, dass diese Superhelden dereinst das Licht der Welt erblickten, möglicherweise war es auch nur der Versuch, eine besondere Variante des Altbewährten (und damals nicht mehr sehr Erfolgreichen) zu schaffen. Sonderlich erfolgreich waren die Eternals leider auch nicht, denn die Reihe wurde eingestellt, bevor die Geschichten zu Ende erzählt werden konnten. Einige Mini-Serien und Neustarts später landen sie nun im MCU, und man darf sich fragen, warum. In den Comics haben die Celestials maßgeblich zur Erschaffung des Multiversums beigetragen, und vielleicht ist dies der Schüssel. Kevin Feige und sein Kreativteam werden sich schon etwas dabei gedacht haben.

Chloé Zhaos Film, der so überaus prominent besetzt ist, ist wunderschön bebildert und eindrucksvoll in Szene gesetzt. Ob es nun das antike Babylon ist, ein prachtvoller indischer Palast oder ein Alien-Raumschiff, für den Zuschauer gibt es eine Menge zu bestaunen, und auch die regelmäßig eingestreuten Actionszenen können sich sehen lassen. Das alles ist durchweg solide.

Und doch kann der Film nicht wirklich begeistern. Mit Guardians of the Galaxy gab es schon einmal ein wenig bekanntes Comic, das erfolgreich ins MCU integriert wurde. Auch in diesem Film werden eine Menge neuer Figuren eingeführt, und doch könnte der Unterschied nicht größer sein: Guardians of the Galaxy besaß ein Drehbuch, das eben mehr als nur solide war, sondern mit anarchischem Witz dem MCU eine Frischzellenkur verpasst hat, und schräge, unverwechselbare Figuren, die man sofort ins Herz geschlossen hat. Die zehn Eternals dagegen sind – bei aller Diversität – relativ austauschbar und viel zu brav. Ihre Geschichten sind halbwegs interessant, aber leider keine Sekunde fesselnd.

Auch die Rahmenhandlung, der Kampf gegen die Deviants einerseits und die Rettung der Erde andererseits, ist weder sonderlich originell noch mitreißend erzählt. Zhao und ihr Team aus Drehbuchautoren wollen zu viel: Sie erklären, woher die Eternals stammen, was bei ihnen eine fundamentale Sinnkrise auslöst, lassen sie gegen die Celestials aufbegehren und widmen sich überdies der Evolution der Deviants. In der Summe ist das eine ganze Menge, und weil darüber hinaus noch die persönlichen Geschichten der Eternals erzählt werden wollen, ihre Liebesdramen, Intrigen und Lebenskrisen, ist das Resultat ein inhaltlich überfrachteter, viel zu langer Film, der viel Potential verschenkt und nicht jedem Handlungsstrang gerecht wird. Das ist schade.

Und was hat das alles nun mit den Avengers und dem Rest des MCU zu tun? Zu den Aufgaben der Eternals gehörte es, sich nicht in die Belange der Menschheit einzumischen, und die Hauptgeschichte, die natürlich auch eine Origin-Story ist, soll erklären, warum sie es nun doch tun. Das hängt stark mit der Infinity-Saga zusammen und dem Sieg über Thanos. Nach über siebentausend Jahren sind die Eternals Fans der Menschen geworden und haben erkannt, dass dieser Planet etwas ganz Besonderes ist, weshalb sie ihn vor den Celestials beschützen wollen, auch wenn dies Hochverrat gleichkommt. Im Grunde wird hier der Amerikanische Exzeptionalismus auf die Menschheit übertragen, was durchaus von einer gewissen Hybris zeugt, insbesondere angesichts der Tatsache, dass diese außergewöhnliche Rasse gerade dabei ist, die reale Welt zu zerstören …

Möglicherweise werden in diesem Film auch sehr viele Weichen gestellt und Ereignisse vorbereitet, die erst später einen Sinn ergeben. Allein in den letzten Minuten und nach dem Abspann werden noch wichtige Elemente eingeführt, die in späteren Filmen eine Rolle spielen könnten. Die Frage ist jedoch, an wie viel davon man sich erinnern wird.

Trotz aller Enttäuschung ist Eternals kein schlechter Film. Wie gesagt, es gibt eine Menge Schauwerte und solide Unterhaltung, gelegentlich sogar den einen oder anderen witzigen Moment. Aber die Geschichte ist nicht packend genug und mit all den unsterblichen Wesen und Weltenschöpfern zu obskur, um wirklich zu begeistern.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.