Massive Talent

Wenn Schauspieler sich selber spielen, kann das leicht nach hinten losgehen. Einerseits wollen sie natürlich in einem möglichst guten Licht dastehen, andererseits vermeiden, als zu abgehoben oder arrogant zu wirken. Interessant wird es, wenn sie ihr Image aufs Korn nehmen oder viel Selbstironie an den Tag legen, man denke an Keanu Reeves in Always Be My Maybe oder Bill Murray in Zombieland.

Meistens handelt es sich dabei nur um Cameos, die für ein paar Lacher gut sind. Es gibt aber auch ganze Filme, die eine fiktive Geschichte aus dem Leben eines realen Stars erzählen: JCVD zum Beispiel, in dem Jean-Claude van Damme bei einem Banküberfall als Geisel genommen, von der Polizei aber für den Räuber gehalten wird. Und in diese Richtung geht auch der neueste Film von Nicholas Cage.

Massive Talent

Nicholas Cage (Nicolas Cage) schwankt zwischen Verzweiflung und Selbstbetrug. Seine Karriere dümpelt vor sich hin, große Rollen bekommt er nicht, auch weil er sie ein bisschen zu sehr will und damit andere verschreckt, er arbeitet aber unentwegt, weil er nach eigenen Angaben an einem Set immer am glücklichsten ist, in Wahrheit braucht er jedoch das Geld, um seine Schulden zu begleichen, die durch die Scheidung von Olivia (Sharon Horgan) noch größer geworden sind. Auch das Verhältnis zu seiner Tochter (Lily Sheen) hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Notgedrungen nimmt er daher das lukrative Angebot an, an der Geburtstagsfeier eines Fans teilzunehmen. Als er jedoch Javi (Pedro Pascal) zum ersten Mal trifft, ist es Sympathie auf den ersten (oder eher zweiten) Blick. Dumm ist nur, dass eine CIA-Agentin (Tiffany Haddish) ihm offenbart, dass Javi ein internationaler Waffenhändler ist, der gerade die Tochter eines Politikers entführen ließ, und Cage soll ihnen helfen, das Mädchen zu finden …

In den Neunzigern war Nicholas Cage ein großer Filmstar, er gewann1995 und 2002 jeweils einen Oscar, und seine Filme waren oft überaus erfolgreich. Doch 2007 (bei uns ein Jahr später) hatte er mit Das Vermächtnis des geheimen Buches seinen letzten Hit, und obwohl er in den vergangenen fünfzehn Jahren einen Film nach dem anderen drehte, konnte er an seine früheren Erfolge nicht mehr anknüpfen. Skandale und Steuerschulden begleiteten seinen Absturz aus dem Hollywood-Olymp.

Dass Massive Talent ihn nun wieder in die A-Liga katapultieren wird, ist eher unwahrscheinlich, es ist aber der richtige Film, um sich beim Publikum in Erinnerung zu rufen, zu beweisen, dass er Sinn für Selbstironie besitzt, und vielleicht neue Fans zu gewinnen. Man kann sich direkt vorstellen, wie er bei der Lektüre des Drehbuchs von Regisseur Tom Gormican und Kevin Etten immer wieder ob der haarsträubenden Wendungen schmunzeln musste oder vor Begeisterung auf seiner Couch auf und ab sprang. Obwohl – war das nicht ein anderer Star?

Die Story des Films ist, gelinde gesagt, aberwitzig und völlig überdreht. Inwiefern die Entführung der Tochter des katalanischen Präsidenten, um damit dessen Rücktritt im finalen Wahlkampf zu erzwingen, einem Waffenhändler helfen soll, hat sich mir ebenso wenig erschlossen wie die Einmischung der CIA. Aber das ist nur der Aufhänger für ein Action-Abenteuer, das ein bisschen Schwung in den Film bringt.

Im Verlauf der Geschichte arbeiten Nic und Javi an einem Drehbuch und reflektieren dabei die Mechanismen des Filmemachens. Auch sie wollen ein spannendes Drama erzählen, mit tiefgründigen Charakteren und überraschenden Wendungen, wissen aber nicht so recht, wovon ihr Film eigentlich handeln soll. Und genau dieses Problem hat Massive Talent auch.  Ein bisschen ist es eine Bromance, eine Hollywoodsatire und ein Gangsterfilm, was mit ein wenig guten Willen sogar erstaunlich gut zusammenpasst. Natürlich gelingt es Cage am Ende, noch einmal den Actionhelden zu verkörpern und sogar seine eigene Tochter zu retten, was genauso vorhersehbar ist wie das Schicksal Javis.

Massive Talent ist sicherlich Cages bester Film seit langer, langer Zeit, vielleicht nicht das Comeback, das er sich erhofft hat, aber immerhin eine Produktion, über die man spricht. Nicht alles funktioniert, nervig sind vor allem die Gespräche zwischen Cage und seinem jugendlichem Alter Ego, aber im Großen und Ganzen ist die Story unterhaltsam und amüsant.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.