Filmreife Kulisse

Unser erster Tagesausflug von Rapid City führte uns in die Badlands. Kurz hinter der Stadtgrenze erblickten wir eine lange, weiße Wolke am Horizont, die aussah wie ein gewaltiger Gebirgszug. Zunächst erschien sie uns nicht ungewöhnlich, doch als wir näherkamen, stellten wir fest, dass diese Wolke so tief lag, dass das gesamte Land in einen dichten Nebel hüllte. Es war ein bizarrer, fast schon unheimlicher Moment: In einer Sekunde fuhren wir im strahlenden Sonnenschein unter einem stahlblauen Himmel, im nächsten Augenblick herrschte die reinste Waschküche, so dass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Und es sollte viele Kilometer dauern, bis der Nebel oder diese ungeheuer tieffliegende Wolke endlich verschwunden waren und wir die Sonne wiedersahen.

Ich war versucht, den heutigen Beitrag Into the Badlands zu nennen, aber es gibt eine ziemlich gute Fernsehserie mit dem Titel, und das hätte vielleicht für Verwirrung gesorgt (dabei spielt die Geschichte nicht einmal in den Badlands). Aber wenn wir gerade bei dem Thema sind: Der mit dem Wolf tanzt wurde teilweise in dieser Gegend gedreht, und damit gibt es erneut einen Filmbezug auf unserer Reise.

Die Badlands bekamen ihren Namen übrigens einerseits von den Ureinwohnern, andererseits von französischen Pelzhändlern, die unabhängig voneinander feststellten, dass diese Region nicht einfach zu bereisen ist. Wenn man die zerklüfteten Felsen, von denen die meisten grau-weiß sind, einige aber auch grau-rot gestreift oder sogar gelb, betrachtet und einen Blick in die engen, verwinkelten Täler zwischen ihnen wirft, kann man diesen Einwand sofort nachvollziehen. Mit dem Pferd oder Maultier kommt man dort nicht weit. Dafür ist der Anblick dieser bizarren Berglandschaft von einzigartiger Schönheit.

Als wir diesen Ausflug geplant haben, hatten wir uns für einige kürzere Wanderungen entschieden, die zu markanten Punkt des Parks führen würden. Es gibt darüber hinaus noch mehrstündige Wanderungen tief hinein in die Wildnis, aber so lange wollten wir nicht wandern, und letzten Endes blickt man ja doch nur auf dieselben Berge.

Leider konnten wir nicht ahnen, dass es selbst diese Kurzwanderungen ganz schön in sich haben würden. Die erste führte uns zu einer „Tür“, einem Durchgang zwischen zwei steil aufragenden Felswänden, durch den man in ein malerisches Tal gelangt. Viele Besucher gehen über breite Holzstege nur bis zu diesem Punkt, machen ein Foto, auf dem garantiert noch ein halbes Dutzend anderer Touristen herumstehen, und kehren dann zum Wagen zurück. Wir waren etwas abenteuerlustiger und sind noch bis zum Ende des Wegs gelaufen, von wo aus man das gesamte Tal überblicken kann.

Nachdem wir bei der „Tür“ gewesen waren, wollten wir auch noch das „Fenster“ sehen, konnten es aber nicht finden. Zwar tauchten immer wieder V-förmige Lücken in den Felswänden auf, die man mit etwas Fantasie als Fenster bezeichnen könnte, doch lagen sie entweder zu hoch, um hindurchzusehen, oder sie gaben den Blick auf eine langweilige zweite Felswand frei. Selbst eine spätere Bildersuche im Internet förderte nichts Brauchbares zutage. Vielleicht gab es mal ein Fenster, aber es ist irgendwann eingestürzt, oder das Ganze ist ein PR-Trick. Alternativ besteht natürlich auch noch die Möglichkeit, dass wir (und alle anderen) es übersehen haben.

Die dritte Wanderung auf dem Notch Trail führte uns zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man das gesamte Tal mit dem Visitor Center und der Straße überblicken konnte. Notches, also Einkerbungen, waren unterwegs bereits zuhauf zu finden, aber gemeint war vermutlich der Punkt zwischen zwei Bergrücken, der das Ziel der Wanderung darstellte. Was wir nicht wussten: Um dorthin zu gelangen, musste man klettern.

Wir erfuhren bereits am Beginn des Trails, dass es anstrengend werden würde, und sagten uns, wir könnten ja jederzeit umkehren. Doch irgendwie hatte uns die Abenteuerlust gepackt, und so nahmen wir die Herausforderung an. Das gefährlichste und schwierigste Stück des Wegs bestand aus einer Art Strickleiter, bestehend aus zwei Stahlseilen, an denen in sehr unregelmäßigen Abständen Baumstämme befestigt waren. Über diese musste man eine steile Felswand hinaufklettern – und später wieder herunter. Oben angelangt, hatte man eine tolle Aussicht auf das gerade durchquerte Tal und durfte dann weiter über Felsen klettern, bis man das Ziel erreicht hatte. Der Rückweg war dabei besonders heimtückisch, und wir beide hatten danach weiche Knie.

Dies sollte eigentlich die einzige längere Wanderung sein, denn alle nachfolgenden waren nur kurze Spaziergänge vom Auto zu einem Aussichtspunkt bzw. auf einem Lehrpfad, auf dem der neugierige Besucher mehr über die Dinosaurier erfahren kann, die früher hier lebten. Doch wir sollten uns irren. Der Saddle Pass Trail war zwar nur mit 0,25 Meilen angegeben, also etwa 400 Metern, doch diese führten nahezu senkrecht nach oben.

Da Mark G. keine Energie mehr dafür hatte, oblag es mir allein, auf den Rücken des Berges zu steigen. Der Aufstieg war noch relativ einfach, nur die letzten Meter, die über scharfkantige Felsen führten, waren etwas schwieriger zu bewältigen. Oben hatte man einen grandiosen Blick auf das Tal, in dem man gestartet war, doch der Ausblick auf die andere Seite war überraschend: Statt auf ein weiteres Tal zu schauen, erstreckte sich dort eine weite Hochebene, über die einer der längeren Wanderwege der Badlands führt. Nach einer kurzen Pause bin ich wieder hinuntergeklettert bzw. gerutscht. An manchen Stellen fanden die Füße einfach keinen Halt, da konnte man sich nur am Fels abstürzen und mehr oder wenige kontrolliert schlittern, dabei immer den stets näher rückenden Abgrund vor Augen.

Nach diesem Abenteuer war ich bedient. Wir klapperten noch die restlichen Haltepunkte ab, bewunderten immer wieder die wunderschöne, zerklüftete und an wenigen Punkten recht farbenfrohe Mondlandschaft, aber für weitere Wanderungen fehlte uns die Energie. Mit über dreißig Grad war es auch sehr heiß, und in den Badlands gibt es fast keine Schatten.

Zum Abschluss sahen wir noch ein paar Bisons, die dort vor etlichen Jahren angesiedelt wurden, und jede Menge Präriehunde. Jeder Versuch, die putzigen Tiere zu fotografieren, endete jedoch wenige Meter vor ihrem Bau. Der kleine Racker, der gerade noch manierlich aufrecht stand und neugierig umherschaute, ließ ein durchdringendes Fiepen hören, woraufhin alle Tiere in seinem Umkreis, er selbst eingeschlossen, sofort in ihre Höhlen verschwanden. Nach diesem anstrengenden Tag beschlossen wir, uns am Abend ein besonderes Essen zu gönnen. Eine Kassiererin hatte uns ein japanisches Restaurant empfohlen, und wir genossen dort Sushi, Steaks und Shrimps vom Teppanyaki, Show-Kochen inklusive.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2022 und verschlagwortet mit , von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.