Hitchcock lässt grüßen

Wir haben unsere ganz persönliche Erklärung für den Namen Badlands gefunden: Dieser Park war schlecht für unsere Körper. Mit anderen Worten, der Abstieg über die Leiter auf dem Notch Trail hat uns einen üblen Muskelkater in den Oberschenkeln beschert. Stehen und gehen funktioniert noch, doch aufstehen und hinsetzen ist eine einzige Qual. Deshalb haben wir beschlossen, unseren geplanten Ruhetag vorzuziehen. Immerhin sind wir inzwischen bereits 137 Kilometer gewandert und rund 4000 Kilometer gefahren.

Das Verfassen der Blogbeiträge, das Auswählen der Fotos (allein in Yellowstone haben wir ca. 1700 Bilder geschossen) und das Erstellen der Videos kostet viel Zeit, und nach einem langen Wandertag ist meistens nicht mehr viel davon übrig. Deshalb hinken wir mit unserer Berichterstattung inzwischen auch Wochen hinterher (update: wenn dieser Beitrag online geht, sind wir bereits wieder in Los Angeles). Aber ein Ruhetag gibt uns die Gelegenheit, etwas aufzuholen – und ins Kino zu gehen, wo wir uns Nope angeschaut haben. Abgesehen davon war es ein ziemlich unspektakulärer Tag.

Leider waren wir am nächsten Morgen auch nicht viel fitter, sind aber dennoch sehr früh aufgebrochen, um uns Mount Rushmore anzusehen. Die vier in Fels gemeißelten Präsidentenköpfe (Washington, Jefferson, Roosevelt und Lincoln) kennt man beispielsweise aus Hitchcocks Der unsichtbare Dritte, wo sie im Showdown eine besondere Rolle spielen. Das Gebäude mit dem riesigen Panoramafenster aus dem Film, von dem aus man die Felswand sehen kann, hat jedoch entweder nie existiert oder ist inzwischen abgerissen worden. Schade eigentlich.

Jetzt kommt man als erstes in eine Parkgarage, von der aus viele Stufen nach oben führen. Dann gelangt man durch ein Tor in die Avenue of Flags. Die Flaggen aller Bundesstaaten und Überseegebiete säumen den Weg zu den Präsidentenporträts, und auf Bronzetafeln kann man lesen, wann diese Staaten Teil der USA geworden sind. Diese pompöse Inszenierung könnte glatt von Leni Riefenstahl stammen, dürfte aber wohl den Geschmack der Amerikaner treffen. Souvenirs und Snacks gibt es natürlich auch. Wir waren höchstens zwanzig Minuten dort, um ein paar Fotos zu schießen, und durften für dieses Vergnügen zehn Dollar bezahlen. Fürs Parken, denn der Eintritt zu diesem National Monument ist natürlich kostenlos.

Wenn ich ehrlich bin, war der Besuch ein wenig enttäuschend. Irgendwie hatte ich mir die Köpfe der Präsidenten größer vorgestellt (obwohl die Gesichter beeindruckende 18 Meter lang sind, was man aus der Entfernung jedoch kaum bemerkt), und wenn man noch dazu die Geschichte der Gegend kennt, die von staatlicher Willkür, Vertragsbruch und massenhaften Tötungen handelt (die Black Hills wurden den Ureinwohnern vertraglich als Reservat überlassen, bis es zu widerrechtlichen Militäraktionen kam, und nachdem dann dort noch Gold gefunden wurde, begannen die ethnischen Säuberungen), kann man diesem penetrant zur Schau gestellten Patriotismus einfach nichts mehr abgewinnen. Vielleicht sind wir Deutsche, wenn es um mangelndes Geschichtsbewusstsein und Patriotismus geht, aber auch zu empfindlich.

Die Gegend um Mount Rushmore ist touristisch sehr gut erschlossen. Es gibt an jeder Ecke einen Freizeitpark oder andere Attraktionen wie ein Christmas Village, Glasbläser, einen Reptilienzoo und Botanischen Garten und vieles mehr. Vier Präsidentenköpfe allein reichen halt nicht. Darüber hinaus kann man in den Black Hills aber auch gut wandern.

Wir fuhren weiter zum Sylvan Lake, einem beliebten Naherholungsgebiet, um dort die Wanderung zum Black Elk Peak zu beginnen. Vorab wurden wir gewarnt, dass diese sehr anstrengend sei, schließlich klettert man 457 Meter hinauf auf einen 2207 Meter hohen Berg, auf dem ein ehemaliger Feuerwachtturm steht. Tatsächlich hat man von dort oben einen herrlichen Blick auf zerklüftete Felsnadeln, waldbedeckte Gipfel und weite Ebenen. Aber der Weg dorthin …

Um es kurz zu machen: Entweder hat die Bewegung gutgetan, oder unser Muskelkater hat nun selbst Muskelkater. Bei jedem Schritt schrien die Muskeln vor Schmerzen (okay, das war sprachlich ungenau, unsere Muskeln schmerzten, und wir schrien). Aber egal, wir haben unseren inneren Luis Trenker gechannelt und uns auf den Weg gemacht. Zuerst ging es durch Kiefernwälder, in denen immer wieder die eigentümlichen, grauen Granitfelsen auftauchten, die diese Gegend definieren, dann begann der Anstieg auf den höchsten Gipfel östlich der Rocky Mountains über unzählige Felsstufen. Und als endlich hoch oben auf dem Berg der Wachtturm wie ein Märchenschloss auftauchte, warteten weitere Stufen und enge Aufgänge auf uns.

Nach einer knapp fünfstündigen Wanderung kamen wir geschafft wieder an unserem Wagen an – und entschieden uns, den Rest des Tages abzukürzen. Die Fahrt über den Needles Highway durch die malerische Landschaft der Black Hills war jedoch ein absolutes Muss. Needles Eye ist ein Haltepunkt, den man nicht verpassen sollte, sieht der Felsen doch tatsächlich aus wie eine gigantische Nähnadel. Und direkt daneben befindet sich ein Tunnel im Felsgestein, den zu durchfahren ein kleines Abenteuer ist. Gerade als wir es versuchen wollten, kam uns ein Bus entgegen, der millimetergenau hindurchpasste – und prompt für einen Verkehrsstau sorgte.

Die Landschaft ist von einmaliger Schönheit, und man kann verstehen, dass sie so viele Besucher anlockt. Die Parkplätze waren voll, und selbst auf der beschwerlichen Wanderung zum Black Elk Peak (der bis 2015 noch Harney Peak hieß, was zum Teil auch noch auf den Karten und Wegweisern steht und für Verwirrung sorgt) sind uns Dutzende Menschen begegnet. Und jeder vierte hatte einen oder mehrere Hunde dabei. Wir hatten eigentlich noch eine weitere Wanderung geplant, bei der weitere 150 Meter hätten überwunden werden müssen, aber das war uns dann doch zu anstrengend, weshalb wir ins Hotel zurückgekehrt sind.

Am Abend sind wir dann doch noch einmal losgefahren, um essen zu gehen. Wie bereits erwähnt, unser Hotel liegt etwas außerhalb an einer Einfallstraße, an der auch viele Geschäfte und Restaurants angesiedelt sind. Rapid City besitzt sehr viele Vororte, die wie hingekleckst auf der weiten Ebene wirken, und mehrere dieser Geschäftszentren, die fast immer von Gewerbeansiedlungen durchzogen sind.

Geplant war, in einem lokalen Steakhaus zu essen, doch als wir ankamen, war der Parkplatz beinahe voll, und vor dem Restaurant saßen etliche Menschen, die auf einen freien Tisch warteten. Anscheinend kocht keiner mehr selbst, denn vor anderen Lokalen sah es ähnlich aus, und das an einem Donnerstagabend. Möglicherweise liegt es an der Inflation und den massiv gestiegenen Lebensmittelpreisen.

Wir hatten jedoch Glück und bekamen auf Anhieb einen Tisch in einem asiatischen Restaurant mit mongolischem Grill, und das Essen war ziemlich gut, auch wenn mich die Auswahl der Saucen immer überfordert.

Damit endete unser Abenteuer in South Dakota. Die Badlands waren unser östlichster Punkt auf dieser Reise, und morgen geht es weiter Richtung Süden nach Nebraska, ein weiterer Bundesstaat, in dem ich noch nie war. Ich bin gespannt.