Bevor InsideKino für zwei Wochen in die frühen Sommerferien geht (mein nächster Beitrag erscheint dann am 4. Juni), beschäftige ich mich heute noch mit einem brandaktuellen, gerade erst gestern gestarteten Film, den ich in einer Preview gesehen habe.
Der Prophet gilt nichts im eigenen Land, weiß bekanntlich der Volksmund und beruft sich dabei entweder auf die Bibel oder Homer. Jeder kennt bestimmt die Geschichte der Kassandra von Troja, die das Unheil, das ihrer Stadt bevorstand, voraussah, der aber niemand Glauben schenkte.
James Wong, der vor allem als Produzent von Akte X oder American Horror Story bekannt ist, schrieb und inszenierte 2000 eine Variante dieser Prophetenstory und gab ihr einen interessanten Twist: Ein Schüler sieht den Absturz des Flugzeuges voraus, in dem er mit seiner Klasse in die Ferien fliegen will – und die anderen hören auf ihn. Deshalb überleben sie, aber der Tod, der ein knauseriger Buchhalter ist, will nicht, dass ein Sterblicher seine Bilanz manipuliert, weshalb er einen nach dem anderen zu sich holt. Junge attraktive Menschen, ein Todesfluch und bizarre Unfälle – das ist das Konzept von Final Destination. Dem überaus erfolgreichen Film folgte natürlich ein zweiter, dann noch weitere, Romane, Comics und ein Musical. Halt, ein Musical gibt es nicht, könnte es aber irgendwann geben. Oder eine Streamingserie.
Weil die Geschichten immer dem gleichen, formalhaften Plotmuster folgten, sank das Zuschauerinteresse, und 2011 war mit Teil 5 schließlich Schluss. Doch inzwischen ist genug Zeit vergangen, um das Franchise neu zu beleben, und damit liegt der Film mit seinem Nostalgiefaktor perfekt im Trend unserer Zeit. Das große Recyceln geht weiter.

Final Destination: Bloodlines
Iris (Brec Bassinger) wird von ihrem Freund Bobby (Owen Patrick Joyner) zu der Eröffnung des exklusiven Restaurants Skyview eingeladen, das sich auf einem hohen Aussichtsturm über der Stadt befindet. Dabei kommt es zu einem folgenschweren Unglück aufgrund von Baumängeln sowie einer Verkettung ungünstiger Umstände, die das gesamte Gebäude zum Einsturz bringen. Doch Iris hat eine Vision der tragischen Ereignisse und kann dadurch viele Menschenleben retten. Fünfzig Jahre später träumt ihre Enkelin Stefani (Kaitlyn Santa Juana) immer wieder von diesem Ereignis und will der Ursache dafür auf den Grund gehen. Doch Iris hat sich schon lange von der Familie abgewandt und lebt einsam mitten im Wald. Als Stefani sie aufsucht, erfährt sie, dass der Tod nach und nach alle Menschen holt, die damals hätten sterben sollen – und auch ihre Nachfahren, die niemals hätten geboren werden dürfen.
Die Drehbuchautoren Guy Busick, Lori Evans Taylor und Jon Watts orientieren sich beim sechsten Teil der Reihe an dem altbekannten Plotmuster, erweitern die Gruppe derjenigen, die dem Tod von der Schippe springen, diesmal aber um eine weitaus größere Menge Menschen. Außerdem liegen die Ereignisse fünf Jahrzehnte zurück. Der Tod schafft es zwar, jeden Tag knapp 180.000 Menschen zu holen, ist aber anscheinend überfordert damit, ein paar Hundert, die ihm entkommen sind, zeitnah wieder einzufangen. Deshalb müssen nun auch deren Nachfahren ins Gras beißen, die niemals hätten existieren dürfen. Das Schicksal ist eben ein mieser Verräter.
Wie immer gibt es eine Figur, die das Schema durchschaut und versucht, ihre Lieben zu retten. Hier ist es nun die Enkelin, die die Fähigkeiten ihrer Großmutter geerbt hat, und natürlich glaubt ihr zunächst keiner ihrer Verwandten. Die Final Destination-Filme gehören zu den fatalistischen Horrorfilmen, bei denen es für die Helden in den allermeisten Fällen kein Happy End gibt, was ihnen grundsätzlich eine deprimierende Note verleiht. Doch hin und wieder gelingt es einem, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Auch diesmal taucht der geheimnisvolle Pathologe William Bludworth (Horrorfilmveteran Tony Todd in einer seiner letzten Rollen) auf, der schon als Warner und Mahner in den meisten anderen Filmen des Franchises zu sehen war, und bietet den Helden einen möglichen Ausweg. Der aber regelmäßig zu einer Gewissensprobe wird.
Einerseits ist es schade, dass den Autoren nichts wirklich Neues eingefallen ist. Das Plotmuster wiederholt sich, und auch die Entscheidungen der Helden und ihr fatalistischer Kampf gegen ihr vorherbestimmtes Schicksal, das den freien Willen jedes Mal in die Knie zwingt, sind immer die gleichen. Andererseits liegt in der Wiederholung etwas wohlig Vertrautes. Da weiß man, was man hat.
Punkten können solche Filme nur in der Inszenierung, und da gelingen den Regisseuren Zach Lipovsky und Adam B. Stein ein paar ziemlich beeindruckende, noch lange in Erinnerung bleibende Szenen. Insbesondere die Eröffnungssequenz im Restaurant über den Wolken ist hochspannend und prägend für den Film. Dagegen kommt leider keine weitere Szene an, nicht einmal der etwas zu flache Showdown, der zwar auch dramatisch ist, aber bei weitem nicht so spannend wie der Anfang. Negativ fällt allerdings auf, dass die Regisseure vor allem auf extrem blutige Todesarten setzen, da gab es in den früheren Filmen wenigstens hin und wieder weniger ekelerregende Lösungen.
Positiv ist, dass es den Autoren mehrfach gelingt, die Erwartungshaltung des Publikums zu unterlaufen und es zu überraschen, was nicht einfach ist, wenn man bereits so ziemlich jede Variante der Geschichte schon einmal gesehen hat. Aber sie spielen geschickt mit den verschiedenen Möglichkeiten, zitieren dabei auch genüsslich-ironisch die filmischen Vorgänger und lassen sogar ein wenig Humor einfließen. Das macht den Film zu einem durchweg unterhaltsamen Vergnügen.
Note: 3