Tolkien

Als Teenager habe ich sehr gerne Fantasy-Literatur gelesen, angefangen mit Michael Ende und Die Unendliche Geschichte. Irgendwann sagte ich mir, ich müsse nun auch den Klassiker schlechthin kennenlernen, Der Herr der Ringe. Ob ich Der Hobbit zu dem Zeitpunkt bereits kannte oder erst später nachgeholt habe, weiß ich nicht mehr, vermutlich hatte ich ihn jedoch bereits gelesen.

Um es kurz zu machen: Ich war enttäuscht. Zu viele Landschaftsbeschreibungen, zu viele Gesänge, zu viele Wanderungen. Zwar habe ich es geschafft, am Ball zu bleiben, brauchte für die drei Bände aber ein komplettes Jahr (mit einigen Erholungspausen, um andere Bücher zu lesen). Für die damals recht erfolgreiche Saga Die Nebel von Avalon von Marion Zimmer-Bradley, immerhin mit über tausend Seiten auch kein schmales Büchlein, habe ich dagegen nur eine Woche benötigt.

Tolkien und ich sind also nie Freunde geworden, und erst Peter Jacksons Trilogie hat mich mit seinem Werk wieder versöhnt (bis Amazon es verwurstet hat, aber das ist eine andere Geschichte). So richtig neugierig war ich auf das gleichnamige Bio-Pic daher nicht, aber nun dachte ich, es passt gut zu den beiden Milne-Filmen, und hab mich erbarmt.

Tolkien

In der Somme-Schlacht des Jahres 1916 macht sich der fieberkranke J.R.R. Tolkien (Nicholas Holt) zusammen mit einem Gefreiten namens Sam (Craig Roberts) auf die Suche nach seinem besten Freund. Während sie durch den Horror des Krieges stolpern, den das kranke Hirn des Autors noch mit Drachen und Rittern bevölkert, erinnert sich Tolkien zurück an seine idyllische Kindheit in der ländlichen Umgebung Birminghams, die vom frühen Verlust seiner Eltern überschattet wird. Zusammen mit seinem Bruder gelangt er in die Obhut eines Priesters (Colm Meany), der sie bei einer reichen Witwe unterbringt. Dort lebt die ebenfalls verwaiste Edith (Lily Collins), in die sich der heranwachsende Tolkien verliebt. Gleichzeitig schließt er an seiner Schule Freundschaft mit drei gleichgesinnten Jungen, die sich ebenfalls geschworen haben, mit Kunst die Welt zu verbessern.

Die Drehbuchautoren David Gleeson und Stephen Beresford konzentrieren sich bei diesem Bio-Pic vor allem auf die spätere Kindheit und Jugend des Der Herr der Ringe-Autoren, beschreiben seine Vorliebe für alte Sprachen und wie er die Anregungen für seine Werke fand, in Wagners Opern bzw. der germanischen Mythologie ebenso wie in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Weil das allein noch nicht ausreichend und vor allem dramatisch genug ist, erzählen sie auch von den Freundschaften, die er knüpft, und von seiner großen Liebe, die er beinahe verloren hätte. Wer nun glaubt, dass dies immer noch nicht für ein großes Drama ausreicht, hat Recht.

Immerhin kleidet Regisseur Dome Karukoski diese etwas dürftige Geschichte in wunderschöne Bilder, die oft genug an die Bildsprache von Peter Jackson erinnern, die wohl für alle Zeiten für Tolkiens Bücher maßgeblich sein wird. Das Dorf zu Beginn sieht fast aus, als würde es im Auenland stehen, die Feuer der Schmelzöfen von Birmingham erinnern an die Schmiede der Zwerge, und Tolkiens Reise durch die Schlachtfelder der Somme haben viele Parallelen zu Frodos Reise zum Schicksalsberg. Sogar ein treuer Begleiter namens Sam ist dabei, der die Last auf sich nimmt, wenn der Held ermattet.

Diese Suche nach bekannten Details und Übereinstimmungen ist nett und sorgt dafür, dass man stets interessiert zusieht, auch wenn sonst nicht allzu viel passiert. Zwar steht auch die Freundschaft zu drei weiteren Jungen mit künstlerischen Ambitionen im Mittelpunkt, doch fällt es mitunter schwer, diese auseinanderzuhalten. Nur Geoffrey Bache Smith (Anthony Boyle) kommt man etwas näher, da dieser mit Tolkien nach Oxford geht, und er ist es, den er später an der Somme sucht.

Da auch Tolkiens Bemühungen, neue Sprachen zu entwickeln, wenig geeignet sind, um ein Publikum, das nicht aus begeisterten Philologen besteht, zu fesseln, bleibt am Ende nur die Liebesgeschichte, und diese ist … nett. Vor allem besitzt sie relativ wenige Hindernisse, obwohl es anfangs eine verbotene Liebe ist. Die Probleme erwachsen in erster Linie aus dem Inneren, aus Tolkien selbst, und wirken etwas konstruiert.

Trotz einiger Längen und dramatischer Unzulänglichkeiten, ist Tolkien ein sehenswerter, weil schön bebilderter Film, in dem es sich trefflich nach Hinweise auf Der Herr der Ringe suchen lässt. Die Szenen, die im Ersten Weltkrieg spielen, sind bemerkenswert und tragen mit dem zutiefst bewegenden Ende dazu bei, die Botschaft über die Sinnlosigkeit aller Kriege eindrucksvoll zu vermitteln.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.