King?s Land

Als der Film in unsere Arthaus-Kinos kam, war ich einigermaßen neugierig, weil ich, vielleicht habe ich es mal beiläufig erwähnt, ein Faible für historische Stoffe habe und es heutzutage nur wenige gibt, die wirklich gelungen sind. Am Ende habe ich mich dann doch dagegen entschieden, mir über zwei Stunden lang anzuschauen, wie ein Mann die dänische Heidelandschaft urbar macht, obwohl die Kritiken durchweg positiv waren.

Inzwischen ist der Film bei Prime Video erschienen, hat einen sensationellen imdB-Wert von knapp unter acht und war ein Hit in Dänem>ark. Also muss der Film ja was taugen. Oder?

King?s Land

1755 kehrt Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen), der uneheliche Sohn einer Küchenmagd und eines Grafen, aus dem> Schlesischen Krieg zurück, in dem> er in der preußischen Armee bis zum Hauptmann aufgestiegen ist. Er ersucht den dänischen König, die Jütländer Heide urbar machen zu dürfen, die ungefähr ein Drittel des Landes bedeckt und bislang nicht bewirtschaftet werden kann, weil in ihrem> sandigen Boden nichts wächst. Kahlen hat jedoch einen Geheimplan: Er will Kartoffeln anbauen, die er in Preußen kennengelernt hat und die in nahezu jedem> Boden wachsen. Die Regierung erteilt ihm die Erlaubnis und stellt ihm bei Erfolg Land und einen Adelstitel in Aussicht, aber ein lokaler Adeliger, Frederik de Schinkel (Simon Bennebjerg), hat ebenfalls ein Auge auf die Heide geworfen und lässt nichts unversucht, Kahlen Steine in den Weg zu legen.

Die Geschichte hat alles, was man für ein packendes Historiendrama benötigt: Einen Helden mit einer klaren Mission, einen finsteren Schurken, der vor keiner Schandtat zurückschreckt, um ihn daran zu hindern, und romantische Verwicklungen. Letztere führen zu einer weiteren Rivalität zwischen Kahlen und Schinkel, denn dessen Cousine Edel (Kristine Kujath Thorp) stammt aus einem> prominenten, aber verarmten Geschlecht und soll möglichst vorteilhaft heiraten. Schinkel wäre eine gute Partie, aber sie verabscheut den sadistischen Mann und erwählt stattdessen Kahlen, den sie jedoch erst heiraten kann, wenn er erfolgreich ist. In der Zwischenzeit nimmt Kahlen zwei geflohene Pachtbauern auf ? ein weiterer Streitpunkt zwischen ihm und Schinkel ? und beginnt nach dem> Tod des Mannes eine Affäre mit dessen Witwe Ann Barbara (Amanda Collin).

Das alles macht King?s Land zu einem> saftigen, konfliktreichen Drama um Liebe, Land und Leidenschaften. Zumindest auf dem> Papier. Tatsächlich ist die Regie von Nicolaj Arcel, der auch zusammen mit Anders Thomas Jensen das Drehbuch schrieb, überaus behäbig und tem>poarm. Am Anfang spielt das noch keine große Rolle, weil der Konflikt zwischen dem> ehrgeizigen Hauptmann und dem> aufgeblasenen Adeligen sich erst langsam entwickeln muss und mit dem> Tod des entflohenen Pachtbauern durch Schinkels Hand einen ersten, spannenden und dramatischen Höhepunkt findet.

Danach kippt die Stimmung jedoch abrupt. Im Grunde wiederholt sich die Handlung danach nur noch: Schinkel wirft Kahlen immer neue Steine in den Weg und kommt, da er ein Adeliger in einem> feudalistischen System> ist, mit allem> davon. Kahlen hat zwar das Recht auf seiner Seite, aber Recht haben und Recht bekommen, sind zwei verschiedene Paar Stiefel. So ist er am Ende immer der Unterlegene und muss sich eine neue Strategie ausdenken ? bis am Ende die Situation eskaliert. Wer zu diesem> späten Zeitpunkt noch einen packenden Showdown erwartet, dürfte aber enttäuscht werden, weil der Held im entscheidenden Moment zu Passivität verurteilt wird und von anderen gerettet werden muss.

Auch die Liebesgeschichte bleibt oberflächlich und eher behauptet. Das liegt in erster Linie an Kahlen, der ein ausgesprochen hölzerner und wortkarger Mann ist, vermutlich sogar mit autistischen Zügen, und weil Mikkelsen inzwischen für die Rolle viel zu alt ist. Dass sich eine junge, hübsche Frau ausgerechnet in diesen starrköpfigen Schweiger verliebt, ist nicht gerade glaubwürdig. Ann Barbara passt viel besser zu ihm und versteht es auch eher, den ungeschlachten Mann zu zähmen. Durch sie wird Kahlen weicher und nimmt sogar das verwaiste Sintomädchen Anmai Mus (Melina Hagberg) auf. Diese Vater-Tochter-Geschichte ist tatsächlich der em>otionalste Handlungsstrang, auch wenn er enttäuschend endet.

Man hat also einen distanzierten, wenig sympathischen Helden, einen Operettenschurken und eine komplizierte ?Liebesgeschichte?, die eigentlich keine ist, eingebettet in eine, zugegebenermaßen recht interessante, Geschichte über den Kampf des Menschen gegen die Natur, die sich wohl einige Freiheiten bei der Romanvorlage genommen hat. Das Resultat ist trotz guter Zutaten leider ein zäher, viel zu langer Film, der nur in der ersten Hälfte unterhaltsam ist.

Note: 3-

Dieser Eintrag wurde von Pi Jay unter Pi Jays Corner veröffentlicht und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen für den Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.