Asteroid City

Ich habe nur wenige Vorurteile, aber diese hege und pflege ich. Eines davon lautet: Kein Anderson macht gute Filme, wobei Paul Thomas Anderson mit Magnolia und Punch Drunk Love zwischenzeitlich auf einem> guten Weg schien, einen nicht jedes Mal zu enttäuschen, während Paul W.S. Anderson sich im B-Movie-Genre so wohlzufühlen scheint, dass er jegliche Ambitionen aufgegeben hat. Bleibt noch Wes Anderson, der Liebling der Kritiker und Jurys, mit dessen Filmen ich einfach nicht warm werde.

Die Royal Tenenbaums war der erste, den ich mir seinerzeit angesehen habe, nicht zuletzt wegen der Oscarnominierung für das beste Drehbuch, aber ich konnte damit überhaupt nichts anfangen. Dann habe ich Grand Budapest Hotel eine Chance gegeben, weil so viele Leute begeistert davon waren, und fand ihn unendlich öde. Das ist zehn Jahre her, und weil sowohl Anderson als auch ich uns inzwischen weiterentwickelt haben könnten und der Trailer zu seinem> vorletzten Spielfilm gar nicht mal so schlecht aussah, habe ich ihm auf Wow eine Chance gegeben.

Asteroid City

Ein TV-Special über die Proben und die Verfilmung des neuen Bühnenstücks des gefeierten Autors Conrad Earp (Edward Norton) namens Asteroid City bereitet den Zuschauer auf das tatsächliche Drama vor, in dem> der Kriegsfotograf Augie Steenbeck (Jason Schwartzman) mit seinen Kindern in dem> Wüstenkaff Asteroid City eintrifft. Dort findet ein Wettbewerb für Nachwuchs-Wissenschaftler statt, an dem> Augies Sohn Woodrow (Jake Ryan) teilnimmt. Bei ihrer Ankunft geht jedoch ihr Auto kaputt, weshalb Augies Schwiegervater (Tom Hanks) die Familie abholt, aber dabei zur Bedingung macht, dass Augie den Kindern endlich mitteilt, dass ihre Mutter verstorben ist. Auch die Tochter der berühmten Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson) nimmt an dem> Wettbewerb teil, der plötzlich von einem> landenden UFO unterbrochen wird.

Vor einigen Monaten kursierten fiktive, KI-generierte Trailer zu bekannten Klassikern der Filmgeschichte wie Star Wars oder Dune im Netz, die im Stil eines Wes Anderson-Films gehalten waren, was beweist, wie unverwechselbar seine Handschrift ist. Man kann sagen, die Bestandteile eines Werks von Wes Anderson sind immer pastellfarbene, hübsch kadrierte Bilder, eloquente, in einem> neutralen, nahezu em>otionsfreien Ton vorgetragene Dialoge, absurde Wendungen, eine kontem>plative Atmosphäre und sorgfältige, etwas zu detailverliebte Aufzählungen. Witzig war an den Trailern, dass die Filme, die man kennt und liebt, durch diese Elem>ente eine komplett neue Tonalität erhalten.

Man muss schon diese Art von Film mögen und natürlich auch den lakonischen Humor Andersons, sonst wird man sich vermutlich nie für ihn begeistern können. Ich habe es nun mit diesem> dritten und vermutlich letzten Versuch aufgegeben, einen Zugang zu seiner Art, Geschichten zu erzählen, zu finden. Das heißt nicht, dass man seine Filme nicht gut finden sollte, ich mag sie nur einfach nicht. Für mich ist es, als würde man einer Kolonie kostümierter Biber dabei zusehen, wie sie Richard III. aufführen. Das kann man wahlweise putzig finden oder albern.

Was mich immer wieder erstaunt, ist die Anzahl gestandener Hollywood-Stars, die sich selbst für die kleinsten Nebenrollen in einem> Wes-Anderson-Film nicht zu schade sind. Pochen sie sonst darauf, wenigstens eine großartige Szene, einen starken Dialog oder wenigstens ein erinnerungswürdiges Cameo zu haben, sind sie hier bereit, Rollen zu übernehmen, die sonst einem> Kleindarsteller zufallen würden. Deshalb ist die Liste der Cast auch so überaus beeindruckend und umfasst neben den bereits Genannten noch Tilda Swinton, Adrien Brody, Liev Schreiber, Margot Robbie, Bryan Cranston, Willem> Dafoe, Steve Carell, Maya Hawke, Jeff Goldblum, Hope Davis, Matt Dillon und einige andere.

Ein paar Einfälle sind nicht schlecht, etwa die Atombombentests am Horizont, die zu Beginn und am Ende daran erinnern, in welcher Dekade der Film spielt, die skurrilen Automaten im Motel, die albernen Erfindungen der Kinder-Wissenschaftler oder der Meteoritendieb aus dem> Weltall. Das Problem> ist nur, dass sie sich nicht zu einer kohärenten Geschichte zusammenfügen, sondern die episodenhafte Frankensteinkreation einer Story über eine willkürlich zusammengewürfelte Gruppe von Menschen in einem> Motel ergeben, die eher in Zeitabschnitte denn dramaturgisch sinnvolle Akte unterteilt ist. Vermutlich hat Anderson deshalb die Rahmenhandlung mit dem> TV-Special über die Herstellung des Bühnenstücks sowie die jeweiligen Szenennummern als Zwischentitel eingefügt.

Man fragt sich jedoch, was der Regisseur und Autor (zusammen mit Roman Coppola) eigentlich damit erzählen will. Das fragt sich Anderson vermutlich auch, weshalb er immer wieder auf die vergebliche Suche nach einem> Sinn hinweist und seine Figuren einem> existenzialistischen Theaterstück entsprungen sein könnten. Dabei geschehen durchaus einige interessante Dinge, und manche Beziehungen stehen vor schwerwiegenden Konflikten, nur macht Anderson nichts daraus. Weder der Eltern-Kind-Konflikt der Steenbecks, die den Tod der Mutter verarbeiten müssen, noch die Begegnung mit einem> Alien vermögen, die Menschen in diesem> Werk aus ihrer Lethargie zu reißen. Keiner scheint jem>als die Fassung zu verlieren, em>otional berührt zu sein oder einen erhöhten Pulsschlag zu haben. Das ist nicht lebensecht und auf Dauer ermüdend.

Einschläfernd sind auch die Dialoge, die häufig monoton vorgetragen werden und durch und durch künstlich wirken. Und alle Figuren, selbst die Kinder, haben den gleichen Sprachduktus. Lediglich Rupert Friend als Cowboy erlaubt sich einmal einen Westernslang. Bei so wenig Aufregung und Action ist es kein Wunder, dass ich irgendwann für zehn Minuten eingenickt bin. Was aber dem> Verständnis des Films in keiner Weise geschadet hat (wie ich feststellen musste, nachdem> ich die fehlenden Szenen nachgeholt hatte, wodurch mir dummerweise noch mehr Lebenszeit abhandengekommen ist).

Fairerweise sollte ich sagen, dass ich mich insgesamt nicht so gelangweilt habe, dass ich nicht mehr weiterschauen wollte. Vielleicht lag es an den Schauspielern, die noch das Beste aus dem> Quark gem>acht haben, den Anderson uns diesmal vorgesetzt hat, oder an den recht hübschen Bildern, die von dem> großen Talent des Regisseurs für Bildgebung sprechen. Wer ein Fan Andersons ist, sollte sich Asteroid City anschauen, alle anderen sollten den Film meiden. Oder die der anderen Andersons.

Note: 4-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.