Wie mittlerweile fast in jedem> Jahr haben wir uns auch heuer wieder die Tradeshows verschiedener Verleiher am Rande des Münchner Filmfests angesehen. Irgendwie ist das fast wie ein Heimspiel für uns, ist die bayrische Hauptstadt nur eine kurze Zugfahrt von uns entfernt, und das Flair im Sommer ist immer ungem>ein reizend. Dieses Jahr waren die Tem>peraturen allerdings jenseits der dreißig Grad Marke, was zu verstärkter Transpiration und einem> T-Shirt-Wechsel im Stundentakt geführt hat. Immerhin fanden die Veranstaltungen alle in klimatisierten Kinosälen statt.
Der erste Film, den wir diesmal gesehen haben, war das neue Werk von C?dric Klapisch, der in schöner Regelmäßigkeit heitere und beschwingte Geschichten abliefert und sich diesmal mit Ahnenforschung im weitesten Sinn auseinandersetzt, ein Them>a, das sich seit einiger Zeit großer Beliebtheit erfreut.

Die Farben der Zeit
Ein seit Jahrzehnten leerstehendes Haus soll einem> Einkaufszentrum mit großem> Parkplatz weichen, weshalb die Kommune eine Ahnenforscherin damit beauftragt, die Erben der letzten Besitzerin, Ad?le Meunier (Suzanne Lindon) ausfindig zu machen. Die ungefähr fünfzig entfernten Cousins treffen sich zum ersten Mal und bestimmen vier Vertreter, die sich das Haus ansehen und die Verhandlungen übernehmen sollen: den kurz vor der Pensionierung stehenden Französischlehrer Abdel (Zinedine Soualem>), die frisch verlassene Zukunftsforscherin C?line (Julia Platon), den Fotografen und Filmem>acher Seb (Abraham Wapler) sowie den Imker Guy (Vincent Macaigne). Gem>einsam versuchen sie, mehr über Ad?les Leben herauszufinden, die als junge Frau nach Paris gereist ist, um ihre Eltern ausfindig zu machen.
Der Film beginnt und endet mit Monets Seerosen, und im Verlauf der gut zwei Stunden Spielzeit erfährt man, welche besondere Rolle der Maler in dieser Geschichte spielt. Zunächst lernt man ein wenig die vier Protagonisten kennen, die unverhofft ein Haus erben und eine komplette Großfamilie gleich dazu. Jeder hat seine eigenen Sorgen und Interessen und weiß nicht so recht, was er mit diesem> Erbe oder den blutsverwandten Frem>den anfangen soll, aber mit der Zeit entstehen tatsächlich vertraute Bande zwischen ihnen.
Der Aufhänger zu der Geschichte, die von Regisseur C?dric Klapisch und Santiago Amigorena verfasst wurde, ist interessant und ungewöhnlich, fällt aber auch nicht völlig aus dem> Rahmen. Das Haus, das sie erben, ist ein verfallener Bauernhof in der Normandie, recht hübsch gelegen, aber marode, und auf den ersten Blick erscheint auch das Interior nicht besonders wertvoll. Erst auf den zweiten Blick entdecken die vier Cousins ein Gem>älde, das alt und geheimnisvoll erscheint, weshalb sie die Kunstexpertin Calixte (C?cile de France) hinzuziehen. Und hier entsteht tatsächlich eine Art Kunstkrimi, der eng mit Frage nach der Herkunft ihrer Vorfahrin verknüpft ist, und der Geschichte in ihrem> letzten Drittel eine unerwartete Wendung gibt.
Während die vier Verwandten sich näher kennenlernen und rätseln, was es mit dem> Gem>älde auf sich hat oder wer die vielen Menschen auf den alten Fotos im Haus sind, die irgendwie zu ihren Vorfahren gehören, folgt der Zuschauer Ad?le auf ihrer Reise nach Paris, die Anfang der 1890er Jahre stattfindet. Unterwegs freundet sie sich mit dem> Fotografen Lucien (Vassili Schneider) und dem> Maler Anatole (Paul Kircher) an, die ihr Glück ebenfalls in der Hauptstadt suchen. Sie findet ihre Mutter (Sara Giraudeau) wieder, die als Prostituierte in einem> Bordell arbeitet, und will herausfinden, wer ihr Vater ist.
Die Farben der Zeit verbindet diese beiden Handlungsstränge, die weitgehend konfliktfrei und unaufgeregt vor sich hinplätschern, zu einer nachdenklichen, bisweilen amüsanten und anrührenden Meditation über Familie und Abstammung. Klapisch schickt seine Figuren auf eine Reise zu ihren Ursprüngen, lässt sie sich fragen, wer sie sind und woher sie kommen, und zieht dabei interessante Parallelen in den Biografien. Auch die Zeitebenen gehen mitunter geschickt ineinander über, was schließlich in einer drogeninduzierten Zeitreise mündet, in der den Protagonisten einige Wahrheiten über die Vergangenheit enthüllt werden.
Ein wenig enttäuschend ist allerdings, dass weder die vier Helden in der Gegenwart viel miteinander interagieren noch die Handlungsstränge der beiden Zeitebenen miteinander verbunden sind. Die vier Cousins scheinen sich nicht besonders für die anderen zu interessieren und reflektieren auch nur wenig darüber, was es bedeutet, plötzlich neue Verwandte zu besitzen. Zudem> finden sie auch nicht viel über Ad?le heraus, deren Geschichte sich allein für den Zuschauer zu entfalten scheint. Zwar verknüpft Klapisch die Zeitebenen oft auf interessante Art und Weise miteinander, aber dem> Film fehlt leider ein konkretes Handlungsziel. Alles plätschert so ruhig vor sich hin wie ein träger Fluss, der sich schließlich in viele Arme teilt und nirgendwohin zu führen scheint.
Dennoch bleibt Die Farben der Zeit in sehr angenehmer Erinnerung. Klapisch erzählt augenzwinkernd und mit gewohnt leichter Hand von den Wechselfällen des Lebens, den Irrtümern und Fehlern, die uns ausmachen, den Zufällen, die unser Schicksal bestimmen, und schafft es am Ende sogar, uns zu rühren. Das ist vielleicht kein großes Kino, aber wunderbare Unterhaltung.
Note: 3+