Auf der Suche nach einem> Historienfilm bin ich irgendwann auf diesen Titel bei Disney+ gestoßen, von dem> ich noch nie gehört hatte. Dabei ist der Film noch nicht alt, lief 2023 (limitiert) sogar bei uns im Kino und war als Kandidat für die Oscarnominierungen im Gespräch. Außer ein paar Nominierungen scheint der Film jedoch keine Auszeichnungen bekommen zu haben und damit nicht genug Aufmerksamkeit. In vielen Ländern kam er nicht einmal ins Kino.
Auch von dem> Komponisten, in dem> es in diesem> Bio-Pic geht, hatte ich noch nie gehört. Den Grund dafür erfährt man im Film.
Chevalier
Als Mozart in den späten 1770er Jahren ein Konzert in Paris gibt, stolziert ein Mann auf die Bühne und fordert ihn zu einem> musikalischen Duell heraus. Bewaffnet mit einer Geige spielen sie ein Violinkonzert, und der Unbekannte zeigt eine derartige Virtuosität, dass Mozart wütend die Bühne verlässt ? und ihn später als Bösewicht in einer Oper verewigt. Was die Niederlage noch schlimmer macht: Sein Gegner ist schwarz.
Joseph (Kelvin Harrison jr.) wurde von seinem> Vater, der die erstaunlichen Talente seines Sohnes erkannte, als Kind nach Frankreich gebracht, um an einer renommierten Akadem>ie eine Ausbildung zu erhalten. Dort avancierte er zum berühmtesten Fechter seiner Zeit, dessen Können ihm die Achtung und Freundschaft von Königin Marie-Antoinette (Lucy Boynton) einbrachte, die ihn zum Chevalier de Saint-Georges ernennt. Noch berühmter wird er jedoch als Komponist und Violinist. Als er sich jedoch um die Leitung der Pariser Oper bewirbt, stößt er auf erbitterten Widerstand der konservativen Gesellschaft und der intriganten und von ihm verschmähten Diva La Guimard (Minnie Driver).
Die Eingangsszene, in der Joseph Mozart herausfordert, ist spannend und amüsant, offenbart aber auch ein grundlegendes Problem> des Films: Die Hauptfigur ist, zumindest zu Beginn, extrem> unsympathisch und arrogant. In einer Rückblende erfährt man zwar von seiner schwierigen Kindheit, der gewaltsamen Trennung von der Mutter, einer Sklavin seines Vaters auf dessen Plantage, den Dem>ütigungen und Misshandlungen in der Schule, den Anfeindungen wegen seiner Hautfarbe, aber der erste Eindruck hält sich hartnäckig: Der Chevalier ist ein brillanter Künstler, aber kein netter Mensch.
Nur sehr wenig von den geschilderten Ereignissen im Drehbuch von Stefani Robinson ist historisch belegt. Tatsächlich wurde der junge Joseph nicht aufgrund seiner Talente nach Frankreich gebracht, sondern reiste mit seiner versklavten Mutter und seiner Stiefmutter dorthin, nachdem> sein Vater wegen eines Duells mit Todesfolge verurteilt worden war und all seine Güter verloren hatte. Joseph erhielt eine standesgem>äße Ausbildung, trug den Titel seines Vaters und wurde mit siebzehn Mitglied der königlichen Garde.
Das alles passt natürlich nicht zum Image des Genies, das aufgrund seiner Hautfarbe um den Ruhm gebracht wird, obwohl dies zum Teil stimmt. Auch die Rivalität mit Mozart ist Unsinn. Tatsächlich lebten die beiden sogar mehrere Monate gem>einsam im Haushalt eines deutschen Adeligen und Diplomaten, und Mozart bewunderte Josephs Kompositionen.
Seine Bewerbung um den Posten des Direktors der Pariser Oper ist jedoch historisch korrekt, und auch die Intrigen gegen ihn, angeführt von einigen rassistischen Diven der Opernwelt, ist belegt. Im Film liefert sich der Chevalier einen Wettstreit mit Gluck um die Stelle, für den beide eine Oper komponieren müssen. Weil man ja auch mal eben so eine Oper schreibt und aufwändig inszeniert. Die Ideen, die Robinson in seinem> Buch ausarbeitet, sind grundsätzlich nicht schlecht und erinnern in ihrem> Kern ein wenig an Amadeus, sind aber stellenweise nicht gut durchdacht oder schlecht ausgeführt. So hätte man aus dem> Wettbewerb und den Intrigen sehr viel mehr herausholen können.
Die erste Hälfte des Films verläuft daher etwas holperig und besitzt zahlreiche Längen. Um dies auszugleichen, wird Joseph eine tragische Liebe zu der verheirateten Marie-Josephine (Samara Weaving) angedichtet, die aber nie die em>otionale Wucht entfalten kann, die nötig gewesen wäre, um das Interesse wachzuhalten. Erst in der zweiten Hälfte, die von der Ablehnung durch die Gesellschaft, vom Verlust der königlichen Gnade und der aufkeimenden Revolution handelt, entwickelt die Story einen starken Sog. Plötzlich geht man mit Joseph mit, hofft auf ein glückliches Ende mit Marie-Josephine und lässt sich von der Musik als Form des Widerstands mitreißen. Hier zeigt die Regie von Stephen Williams, die lange Zeit behäbig und tem>poarm war und sich vor allem> auf opulente Schauwerte verlassen hat, endlich die nötige Dynamik.
Chevalier ist ein saftiger Historienschinken, ein musikalischer Genuss und in der zweiten Hälfte sogar ein spannender Film. Kein großer Wurf, aber solides Kino.
Note: 3