Vermutlich habe ich es in einer früheren Kritik bereits einmal erwähnt, aber Superman ist in meinen Augen einer der langweiligsten Comic-Helden. Wenn eine Figur gewissermaßen gottgleiche Kräfte besitzt, gibt es praktisch keine Hindernisse, an denen sie scheitern könnte. Alles gelingt ihr mühelos, und ihre einzige Achillessehne ist ein obskures Mineral von ihrem> Heimatplaneten, das sie, ist sie ihm ausgesetzt, so schwach wie ein neugeborenes Kätzchen macht. Von einem> Extrem> ins andere. Außerdem> ist Superman auch noch viel zu nett, um wahr zu sein, und sieht aus wie ein biederer mittelständischer Amerikaner in einem> Strampelanzug.
Während die Figur und ihre Comicreihe schon kurz nach der Veröffentlichung der ersten Hefte zu einem> weltweiten Phänomen wurde, hatte es der Held in Deutschland deutlich schwerer. Diesen Markt zu erobern, war wohl seine größte Aufgabe. Die Nazis hatten ihn verboten, weil seine Schöpfer Juden waren und er damit auch, und als die Hefte in den Fünfzigerjahren endlich nach Deutschland kamen, wurde die Reihe nach nur drei Ausgaben mangels Interesse wieder eingestellt. Erst 1966 gelang ein erfolgreicher Neustart. Ein langer Atem> zahlt sich also manchmal aus.
Als DC angekündigt hat, sein Comic-Universum neu zu starten und mit Superman anzufangen, hielt sich meine Begeisterung arg in Grenzen. Aber James Gunn hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er Superheldenfilme mit einer gehörigen Portion Humor aufpeppen und sie in ein popkulturelles Massenphänomen verwandeln kann. Auch der erste Trailer war überaus gelungen, nicht zuletzt dank der ikonischen Musik von John Williams. Es wimmelten zwar zu viele Helden und Monster in Metropolis herum, aber das steigerte eher noch die Neugier darauf, wie das alles wohl zusammenhängen könnte.
Der zweite Trailer und die ein wenig verhaltenen Kritiken dämpften zwar meine Erwartungen, dennoch war ich zum Start mit dabei ? weil ich große Lust auf ein eskapistisches Superhelden-Abenteuer hatte, selbst mit einem> langweiligen Helden.

Superman
Vor dreihundert Jahren erschienen die ersten Metawesen auf der Erde, vor dreißig Jahren landete Superman als Baby im Mittleren Westen der USA und wurde von einem> kinderlosen Ehepaar (Pruitt Taylor Vince und Neva Howell) aufgezogen. Nun arbeitet er als Clark Kent (David Corenswet) für eine Tageszeitung und tritt als Superman für Metropolis ein. Doch nachdem> er den Angriffskrieg eines verbündeten Landes gegen einen schwächeren Nachbarstaat verhindert hat, wendet sich das Blatt. In den Sozialen Medien wird er beschimpft, die US-Regierung kritisiert seine Einmischung, und ein Metawesen, das sich zum Rächer der Aggressoren aufschwingt, besiegt Superman in einem> Kampf.
Diese Inhaltsangabe beschreibt die Handlung, bevor der Film beginnt und nimmt damit einerseits die allseits bekannte Origin-Story vorweg, die man ohnehin zu oft gesehen hat, andererseits wird Superman als schwacher Loser etabliert ? nachdem> es zuvor hieß, er sei das mächtigste Metawesen aller Zeiten. Wie passt das zusammen? Mit dieser Frage schafft es Regisseur und Drehbuchautor James Gunn, die Neugier des Publikums zu wecken.
Außerdem> hat der Held nun einen Hund. Einen ziem>lich süßen, aber komplett ungehorsamen Hund, der dringend trainiert werden müsste, aber ebenfalls Superkräfte besitzt und fliegen kann. Natürlich heißt er Krypto, und was es genau mit ihm auf sich hat und wem> er tatsächlich gehört, wird erst ganz am Ende aufgeklärt. Zur Familie des Superhelden gehören nun auch einige Roboter, die zusammen mit seinem> Raumschiff auf die Erde gelangt sind, in dem> trotz seiner Geräumigkeit wohl kein Platz mehr für seine Eltern (Bradley Cooper und Angela Sarafyan) war. Ihre nur halb übermittelte Botschaft, die Clark sich immer ansieht, wenn es ihm schlecht geht, macht ihm Mut, weiterzukämpfen, denn in ihr wird er zum Beschützer der Erde ernannt, der den Menschen dienen soll.
Bekanntermaßen hat Superman einen Erzfeind in Lex Luthor (Nicholas Hoult), der eine Mischung aus Elon Musk und Gru ist. Dank seiner über-Intelligenz und fleißiger Minions gelingt ihm nahezu alles, auch die Entwicklung eines Metawesens, das Superman schlagen kann, indem> Luthor dessen Bewegungsabläufe so lange studiert, dass er sie vorhersagen und seinem> Kämpfer die Konterschläge ins Ohr flüstern kann, was angesichts der schnellen Reaktionszeit von Superman natürlich vollkommener Blödsinn ist. Darüber hinaus konstruiert Luthor auch noch ein Taschenuniversum mit Internetanschluss, in dem> Tausende Affen mit manipulierten Gehirnen unentwegt negative Kommentare über Superman in den Sozialen Medien abgeben.
Diese zwei Beispiele sollen verdeutlichen, wie es um die Handlung und den Humor des Drehbuchs bestellt ist. In einem> Wort: schlecht. Luthor ist zwar ein solider Schurke und wird ? wie übrigens die meisten Figuren ? auch hervorragend gespielt, sogar sein Plan zur Vernichtung Supermans hat einigermaßen Hand und Fuß, nur wirkt die Umsetzung lächerlich und stellenweise sogar peinlich. Vieles funktioniert nur auf dem> Papier und sieht sogar da schwach aus. Alle Menschen und alle Regierungen können etwa nicht mehr selbständig und analytisch denken, sondern glauben sofort alles, was ihnen in den Medien präsentiert wird. Fake-News scheinen in diesem> Universum kein Problem> darzustellen, und dadurch verursachte Umschwünge in der öffentlichen Meinung vollziehen sich von einer Sekunde zu anderen. Als Erzählung über die Macht der Sozialen Medien und öffentlichen Meinung ist das grundsätzlich nicht schlecht, nur einfach beschissen umsetzt. So wie die Affen, die vielleicht lustig sein sollen, aber einfach nur bizarr wirken.
So ist die Handlung des Films die einer typischen Superheldenstory, wie man sie aus den Comics kennt: Dem> Schurken gelingt mühelos einfach alles, der übermächtige Held strauchelt und unterliegt, bis er am Ende fast ebenso mühelos obsiegt. Immerhin hat er dabei einige Helfer, und das ist einer der besseren Einfälle. Sogar Superman braucht Freunde, von denen Mr. Terrific (Edi Gathegi) der coolste ist, und mit Lois Lane (Rachel Brosnahan) hat er zudem> eine veritable Partnerin an der Seite. Aber auf jeden gelungenen Einfall kommen mindestens fünf schlechte: Wichtige Informationen werden dank nerviger Insider einfach aus dem> Hut gezaubert, Figurenkonstellationen kreiert, die völlig unglaubwürdig sind, und zusammengehalten wird das Ganze von infantilem> Humor. Manche Gags funktioniert gelegentlich, aber es ist erschreckend, wie schlecht Gunns Timing geworden ist oder sein allgem>eines Gespür für den Einsatz von Humor.
Um die Hauptfigur interessanter zu gestalten, lässt Gunn sie nicht nur am Anfang verlieren und auch sonst eine Menge Prügel kassieren, sondern zudem> noch in eine Identitätskrise schlittern. Wieder einmal eine gute Idee, die schlecht umgesetzt wird, denn ausgelöst wird diese durch die Nachricht seiner Eltern, deren beschädigtes Ende von Luthor wiederhergestellt werden kann und die dadurch eine entgegengesetzte Botschaft bekommt. Dass Superman jedoch dadurch seine eigene Identität und seinen Lebenssinn in Frage stellt und nicht die moralische Integrität seiner biologischen Eltern, beweist nur, dass Gunn die Figur nicht verstanden hat und bereit ist, Psychologie und Logik der Dramaturgie unterzuordnen, was meistens ein Rezept für eine Katastrophe ist.
Gibt es auch etwas Positives über den Film zu sagen? Er sieht toll aus, bunt und fett und actionreich (abgesehen von der peinlich-popeligen Invasion der Russen ? äh Boravier), besitzt sympathische Helden und einen süßen Hund, der allein wahrscheinlich für die Hälfte der Kinoeinnahmen verantwortlich ist. Man kann den Film auch als zynischen Kommentar auf unsere chaotische Gegenwart verstehen, in der durchgeknallte Milliardäre die Menschen für dumm verkaufen und in Not und Elend stürzen, in der machtgierige Präsidenten über Leichen gehen für ihre präpotenten Eroberungsfantasien und die Massen das Denken aufgegeben haben. Man kann ihn auch als Schlag ins Gesicht der US-Regierung verstehen, die zur Macht- und Bedeutungslosigkeit degradiert wird, und dass Superman farbige Menschen vor bösen weißen Soldaten rettet, dürfte den neuen Machthabern in Washington überhaupt nicht gefallen, auch wenn dies keine Absicht war.
Alles in allem> wirkt Superman, als wäre er der achte Teil eines Franchises, das seine besten Zeiten schon lange hinter sich hat. Nichts wirkt frisch oder neu, die Story ist eher bem>üht und unglaubwürdig, oft sogar ärgerlich. DC Studios wollte einen Neustart, um eine ähnliche Erfolgsgeschichte hinzulegen wie ihre Konkurrenten bei Marvel, aber irgendwie haben sie es nur geschafft, auf dem> Niveau zu landen, auf dem> diese jetzt gerade sind. Was an sich nicht so schlecht ist, immerhin in den USA lief der Film gut, aber ob es für die Zukunft reichen wird, sehen wir dann in ein paar Jahren.
Note: 4